Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)
trat sie den Rückzug aus der Kammer an.
Als sie die Tür geöffnet hatte und sich auf der Schwelle befand, verließ Carmondai lautlos sein Versteck und begab sich hinter sie, versetzte ihr einen Stoß, sodass sie überrascht hinausstolperte, und folgte ihr.
Die Barbarin hatte langes, blondes Haar, das sie in einem aufgerollten Zopf trug. Das Kleid war eine Tracht, in Weiß mit braunen und grünen Stickereien. Sie prallte gegen einen Stützpfeiler, fing sich ab und wirbelte herum.
Seine Überraschung wuchs: Das war mit Abstand die hübscheste Menschenfrau, die er je zu Gesicht bekommen hatte.
Ich müsste ihre Züge nicht mal verbergen, wenn sie meine Sklavin wäre. Carmondai sah sich kurz um. Das Zimmer bildete Wohnraum und Küche zugleich, es gab einfache Möbel sowie eine leiterähnliche Treppe, die nach oben führte, vermutlich zum Schlafgemach. Sie waren alleine.
»Wie kommt es, dass du dich um ihn kümmerst?«, herrschte er sie an. »Was hast du mit ihm vor, wenn er genesen ist?«
Die Barbarin riss die Lider weit auf, als sie seine schwarzen Augen erkannte. »Du bist einer von ihnen«, stellte sie fest und blieb stehen, den Rücken gegen die schützende Stütze gepresst. »Das ist ja wundervoll!«
Langsam kam er auf sie zu. »Wieso ist das …«
»Weg von ihr«, bekam Carmondai den harschen Befehl von der Eingangstür her, wo ein sehr junger Barbar stand, bekleidet mit einer weiten, grünen Hose und langen Stiefeln, die bis über die Knie reichten. Das weiße Oberteil hing lose darüber, an seiner Seite baumelte ein langer, schlanker Dolch.
Carmondai lächelte. »Wackerer Bursche! Du weißt, was ich bin, und gibst mir Befehle?«
»Die Herrscherin zahlt uns Kopfgeld, wenn wir ihr den Schädel des Albs bringen«, hielt der Barbar unerschrocken dagegen, die Lider verengten sich. »Zeige Dankbarkeit, dass wir einen von deiner Sorte gerettet haben anstatt ihn auszuliefern.« Er hatte die langen, schwarzen Haare am Hinterkopf zusammengesteckt, das hübsche Gesicht wurde von einem Bart um Kinn und Mund geziert.
»So, du verlangst Dankbarkeit?« Carmondai lachte. »Die sollst du bekommen, wenn du mir sagst, was du beabsichtigst.«
»Erst entfernst du dich von meinem Weib.«
Nun fand Carmondai den Tonfall nicht mehr amüsant. Der Knabe braucht eine Unterweisung. »Denkst du, du könntest mich von irgendetwas abhalten, wenn ich beschließe, euch beide umzubringen und meinen Begleiter mitzunehmen?«, fragte er lauernd.
Der furchtlose Barbar legte eine Hand an den Dolchgriff. »Das ist meine letzte Warnung, Schwarzauge«, entgegnete er selbstbewusst. »Ich möchte deinem Freund bei seinem Erwachen nicht erklären, dass wir dich töten mussten. Am Ende bräche es ihm das finstere Herz, und unsere Mühen waren vergebens.«
Carmondai schnellte vorwärts, zog dabei seinen Dolch und wollte die Klinge an den Hals des Mannes legen – doch er stand nicht mehr auf der Schwelle, sondern neben ihm und packte in die langen, braunen Haare, um ihn daran zurückzuziehen.
Oh, nicht schlecht. Er wand sich aus dem Griff, versetzte dem Barbaren einen Hieb mit Faust gegen das Sonnengeflecht, der den Gegner zurücktrieb, und zielte mit dem Pommel des eigenen Dolches gegen das Kinn.
Doch der Barbar riss pfeilschnell den Arm hoch und fing den Hieb ab, wich sogar Carmondais Kniestoß aus und wollte ihm seinen Ellbogen gegen die Nase dreschen.
Der Alb zog den Kopf zurück. Das spitze Gelenk zischte an ihm vorbei, sodass Carmondai seinerseits mit dem Unterarm über die Schulter des Feindes hinweg zuschlug und ihn am Unterkiefer traf.
Der junge Barbar wurde über den Tisch geschleudert und ging zu Boden. Zwar federte er bereits in die Höhe, kaum dass er den Boden aus gestampfter Erde berührt hatte, aber Carmondai flankte schon über das Hindernis und traf ihn mit beiden Sohlen gegen die Brust.
Rumpelnd wurde der Barbar gegen die Anrichte katapultiert.
Wie du mir … Carmondai schnappte ihn mit der Linken in den Haaren, drosch ihm den Dolchknauf drei-, viermal in die Magengrube, ließ den Schopf los und versetzte dem Gegner zum Abschluss einen Hieb mit dem Handballen von unten gegen das Kinn.
Der Kopf des Barbaren schnappte in die Höhe, er verdrehte die Augen und flog zwei Schritte weit, dann stürzte er nieder.
Carmondai war sofort über ihm. Er drückte ihn mit einem Knie nieder und legte dem halb Bewusstlosen die Schneide an die Kehle. »Siehst du nun, wohin dich Übermut bringt?«, raunte er. »Ich strengte mich nicht
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