Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)
dem Fallenden nach oben schritt und sich von der Schulterpanzerung abstieß.
Er zog die Beine an und flog über drei weitere Bestien hinweg, landete auf den Planken und rollte sich sofort über die Schulter ab, kam auf die Füße und nutzte den Schwung, um sich erneut abzudrücken und durch die Flammen zu hechten.
Hinter ihm stampften die Óarcos heran und mussten vor dem Pechfeuer zurückweichen. Sie wagten es nicht, die Lohen zu durchqueren.
Carmondai erhob sich und stand vor zwei kleineren Bestien, die sich auf ihn warfen und mit Säbelhieben eindeckten. Der hartnäckige Ruß in seinen Augen erschwerte das Einschätzen der Attacken, aber er parierte sie dennoch.
Unter seinen Füßen spürte er, dass das geschundene Oberdeck zu zerbrechen drohte und er sich sputen musste, um zu Nimòras ins Boot zu gelangen.
Genug. Carmondai fälschte den nächsten Hieb ab und lenkte ihn gegen die zweite Bestie, durchtrennte damit deren Schlagarm und versetzte ihr einen Tritt, sodass sie rücklings ins brennende Wasser stürzte.
Der verbliebene Óarco konnte die überraschende Attacke des Albs zwar blocken, doch gegen den pfeilschnell zustoßenden Dolch, der ihm seitlich durch das Ohr bis ins Gehirn fuhr, war er machtlos. Er brach vor den Stiefeln des Albs zusammen.
Sie taugen wirklich nichts. »Nimòras? Wo bist du?« Carmondai lief nach vorne, bis ans Ende des auseinanderdriftenden Decks, und starrte hustend in den Rauch.
»Hier!« Plätschernd tauchten Riemen ein, der Bug des Beibootes schob sich durch die künstliche Nebelbank.
Nimòras saß mit dem Rücken zu ihm und ruderte, so gut es ihm bei aller Unerfahrenheit gelang. Er war durchnässt und musste mindestens einmal Erfahrung mit dem Seewasser gemacht haben, die schwarzen Haare lagen auf seiner Rüstung; die Barbarenkleidung hatte er abgelegt. »Wir müssen weg. Es scheint, dass ringsherum alles in Flammen steht«, berichtete er hastig und ging längsseits. »Sie haben ungeheure Mengen Pech und Petroleum ausgeschüttet, damit die …«
Carmondai setzte gerade ein Bein über den Bootsrand, als er das ankündige Pfeifen hörte, doch es ging zu rasch, um eine Warnung ausstoßen zu können.
Der Katapultstein, abgeschossen von einem der weyurnischen Schiffe, warf sich wie aus dem Nichts und gleich einem erloschenen Kometen zwischen die beiden Albae auf die Nussschale und zerschlug die Planken in brachialer Weise.
Es krachte und platschte; eine Wasserfontäne stieg auf und traf Carmondai. Die Wrackteile schossen in alle Richtungen davon.
Sein Fuß trat ins Leere, das Boot mit Nimòras existierte nicht mehr. So fiel Carmondai in den See und versuchte, sich am Treibgut festzuhalten, um den jüngeren Krieger zu sich zu ziehen und ihn vor dem Ertrinken zu bewahren.
Da knallte er mit der Stirn gegen Holz und verlor das Bewusstsein.
Weiche Hände hoben ihn sacht an und senkten ihn ab, um ihn gleich darauf erneut anzuheben, als würde er auf einem weichen Teppich über Hindernisse getragen.
Wasser drang Carmondai in die Nase, er atmete einen Schwall kaltes Nass ein und musste husten.
Als er die Augen aufriss, schoben ihn die Wellen eben weiter den flachen Strand hinauf, näher an den Streifen aus zerstörten Muscheln und Strandgut; im Gegensatz zum Morgen sah er im Schein der Nachtgestirne angefüllt aus: Die Schlacht hatte für angespülte, verbrannte Balken, Seilfetzen, Segelreste und reichlich Kadaver gesorgt.
Wo ist Nimòras? Er richtete sich auf, watete durch das kniehohe Wasser zum Uferstreifen und sah sich dabei unentwegt um. Sein Schwert hatte er verloren, den Dolch trug er in der Scheide. Irgendwann musste er ihn im Dämmerzustand eingesteckt haben, um ihn nicht auch aufzugeben.
Auf einer Länge von mehr als einer Meile lagerten die meisten der Wrackteile und Leichen, danach wurden die angeschwemmten Überreste von Schiffen, Scheusalen und Matrosen weniger.
Carmondais Albaugen sahen dank des Sternenschimmers beinahe so gut wie am Tag. Keineswegs entgingen ihm die vielen Fackeln, etwa sechshundert Schritte rechts von ihm entfernt.
Strandgutplünderer, die in den Stapeln nach Verwertbarem oder gar Wertvollem suchen. Er wrang seine Kleidung aus, ließ das von der Nässe schwere Gewand weiterhin über seiner Lederrüstung. Hätte er einen Harnisch aus schwerem Tionium getragen, wäre er auf den Grund des Sees gesunken und erstickt. Sicherlich erging es Dutzenden dämlicher Óarcos so.
Er streifte die langen, braunen Haare zurück und eilte auf die Gruppe zu.
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