Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)
Treiben. Wachen eilten umher, und ein Tross nach dem anderen zog auf dem Weg hinaus, um den Nachschub für das Heer zu gewährleisten.
Inàste, sei bedankt! Rasch zerrte Gàlaidon seine entkräfteten Gefangenen vom Wagen und trieb sie vor sich her, um sie zu seinem Meister zu bringen, der eben den Sitz des Sattels seines Nachtmahrs überprüfte.
»Hier bringe ich dir die Herzen«, grüßte er ihn von Weitem und stellte mit ein wenig Genugtuung fest, dass weder Phainòri noch Weïdori zu sehen waren. »Du magst dir aussuchen, welches ich dir überreichen soll, oder beide einfordern.«
Der Assassine wandte sich um und lächelte, als hätte er gewusst, wie der Verlauf der Probe enden würde. »Hervorragend. Du verstehst dich auf Pünktlichkeit. Noch drei, vier weitere Splitter der Unendlichkeit, und du hättest dich auf eine langwierige Suche nach mir in Tark Draan begeben müssen«, sagte Virssagòn und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ich ahnte, dass du derjenige bist, der mich als erster aufsucht.« Er betrachtete die Unterirdischen. »Und du hast dich an meine Anweisung gehalten.« Virssagòn lachte dunkel. »Sieh sie dir an, die Bergmaden. So klein und gering, und doch haben sie mehr Mut als die meisten Bestien und einen Willen aus Stahl.« Er machte einen Schritt zurück. »Lass uns nachsehen, wie es um das Herz bestellt ist. Man sagt, sie hätten eines aus Gold.«
Gàlaidon nickte, zog seinen Dolch und schlug die Gefangenen rasch mit dem Knauf nieder. Kaum waren sie niedergestürzt, brach der Alb sie auf, wühlte die schlagenden Herzen aus der Brust und hielt sie Virssagòn darbietend hin; eines davon tat wirklich noch Schläge und pumpte den dunkelroten Lebenssaft aus den Kammern, bis es zwischen seinen Fingern erstarb. »Wie du es verlang–«
»Mörder!«, erklang Phainòris laute Stimme plötzlich anklagend und hallte in der Höhle wider. »Gàdion ist ein niederträchtiger Mörder!«
Sämtliche Albae schauten zu ihr, die eben mit einem Karren herangerast kam. Wachen nährten sich der kleinen Gruppe langsam.
Phainòri zog die Bremse an, die blockierenden Räder rumpelten über den Stein, und sie brachte das Gespann zum Stehen.
Auf der Ladefläche lag Weïdoris Leichnam. Den Wurfdolch, der in ihrem Nacken steckte, erkannte Gàlaidon wieder. Das ist der, den ich verloren glaubte.
Phainòri sprang zur toten Albin, die bereits deutliche Zeichen von Verwesung zeigte. »Ich fand sie, der Endlichkeit nahe, in einem Gang«, rief sie laut von oben herab, sodass sie von allen Umstehenden gehört werden musste. »Weïdori stammelte mit ihren letzten Worten, dass Gàdion sie heimtückisch ermordet und ihr die beiden Gefangenen genommen habe.«
Virssagòn sah auf die toten Unterirdischen, die man nicht mehr zu den Anschuldigungen befragen konnte. »Ist das dein Dolch?«
Gàlaidon wusste, das alles gegen ihn sprach. Phainòri hatte ihn in eine Falle gelockt und sicherlich die Waffe kurz vor dem Aufbruch gestohlen. Der Beweis und ihre Lüge sprachen gegen ihn. Ein Mosaiksteinchen fügte sich zum anderen, auch wenn das Bild, das dabei entstand, ein falsches war.
Es spielt keine Rolle, was ich sagen werde. Man wird mich für schuldig halten. Gàlaidon sah voll Gleichmut zu Phainòri. »Wir beide wissen, was geschehen ist«, erwiderte er ruhig und drehte den Kopf zu seinem Meister. »Bedenke, dass sie nicht einmal ihren Auftrag erfüllte. Sie kehrt mit leeren Händen und einer Lüge zurück.« Er hielt die Zwergenherzen nun mit einer Hand.
» Das ist deine Erwiderung auf meine Anklage?«, rief die Albin vom Wagen herab. »Wie muss es in deinem Herzen aussehen, wenn …«
Gàlaidon bewegte sich zu schnell, als dass Virssagòn ihn aufhalten konnte: Er langte an den Gürtel, wo der noch blutige Dolch in der Scheide steckte, und warf ihn nach Phainòri.
Die Klinge drehte sich und landete im offenen Mund der Albin, zerschlug ein paar Zähne und trat aus dem Nacken wieder heraus, einen halben Finger lang, während der Griff zwischen den Lippen hervorragte. Phainòri fiel nach vorne auf Weïdoris Leichnam.
Die Wachen rissen die Speere hoch und rückten vor, ohne jedoch einzugreifen. Solange Virssagòn nichts befahl, würden sie sich zurückhalten.
Gàlaidon verbeugte sich vor seinem Meister. »Betrachte das als meine Erwiderung.«
»Ausgezeichnet.« Virssagòn nickte ihm zu. »Du hast bestanden.«
Der blonde Alb traute seinen Ohren kaum. »Du glaubst mir? Trotz ihrer Geschichte und meines Dolches im Nacken
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