Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)
gesucht und schlug Wurfsteine mit verschiedenen Werkzeugen in Form. »Hast du kein Vertrauen in unsere Schmiede?«
»Als Ntîstai prüfe ich meine Wurfgeschosse, ehe ich in die Schlacht gehe. Stets. Sie retten mein und euer Leben.« Haïmoná lächelte und schob den Speer in den Stapel der anderen, die in einem Köcher lagerten. Die Geschosse waren am Ende des Schaftes mit einer Schlaufe versehen, durch die Zeige- und Mittelfinger geschoben wurden, während die übrigen Finger den Schaft hielten. Eben diese Schlaufe ermöglichte es, den Speer mit großer Wucht und Genauigkeit zu werfen. »Selbstverständlich auch deines, Windschwester. Vergiss das nicht.«
»So wie diese den Tod bringen.« Amitàrai hob den scharfkantigen schwarzen Stein, und der Ärmel ihres dunklen Mantels rutschte nach unten. »»Ich weiß, was ich dir und unseren Geschwistern als Fendònistai schuldig bin.«
Die Goldstählernen grinsten einander an. Haïmonás dunkle Augen huschten über Amitàrai, deren Gestalt unter dem Mantel verborgen lag und äußerst ansprechend war.
Doch wahre Anziehungskraft entfaltete die Albin nicht auf sie.
Das Herz der schwarzhaarigen Haïmoná gehörte Caiphôra, die sie verteidigte und für die sie in die Endlichkeit gehen würde.
Waren sie alleine in ein Gefecht verwickelt, bildeten sie eine Einheit. Während Haïmoná sich mit allem auskannte, was man warf und schleuderte, zählte ihre rothaarige Gefährtin zu den Asfámchai, den Schwertkämpferinnen, die mit Schwert und Schild ebenso umzugehen wusste wie mit zwei Klingen oder gar zwei Schilden.
Rücken an Rücken standen sie im Kampf, dämonengleich in der Schlacht und Furcht einflößend für ihre Feinde. Die Maskenvisiere der gold-schwarzen Helme machten sie zu fremdartigen Wesen, unirdisch und tödlich. Ein Trick und ganz ohne albische Kraft, die diesen einschüchternden Eindruck vervielfachte.
»Was weißt du über die Kwaitoo?«, erkundigte sich Amitàrai. Der Stapel mit ihren Schleudersteinen, deren Ecken durchaus Helme und Rüstungen durchdrangen, war gewaltig.
»Dass sie die Unauslöschlichen herausforderten. Die Barbaren halten sich für unbesiegbar, weil sie wissen, wie man unterirdische Festungen errichtet«, gab Haïmoná zurück. »Wie die Insekten. Ich vermute, die Bergmaden würden sich über diese Bauten totlachen. Und doch ziehen sie daraus die närrische Zuversicht, gegen uns bestehen zu können.«
»Man erzählt sich, dass ihnen der Fflecx-Abschaum Gifte gegen uns überließ«, fügte Amitàrai hinzu.
»Die Kwaitoo erzählen das. Aber wir beide wissen wie unsere Windgeschwister, dass die niederträchtigen Gnome ihre Gifte nicht veräußern. Die feigen Barbaren streuten das Gerücht, um uns vom Angriff abzuhalten.« Haïmoná lachte. »Das haben die Angeber nun davon: Das Herrscherpaar entsendet uns! «
»Benàmoi Ewìlor überlegte sich bereits eine Vorgehensweise«, wusste die blonde Albin zu berichten. »Und ich halte es für eine gute Eingebung. Damit werden die Kwaitoo nicht rechnen.«
»So?« Haïmonás Neugier war geweckt. »Woher weißt du das?«
Amitàrai lächelte und packte einen Stein nach dem anderen in einen Lederrucksack; einfachen Stoff hätte das geschliffene Gestein sofort durchschnitten, weswegen die Fendònistai zum Schutz Handschuhe aus winzigen Kettenringen trug. »Ich traf Ewìlor in der Bibliothek, wo er über alten Schriften brütete. Wenn ich es richtig sah, beschäftigte er sich mit der Kunst, Sand zu verflüssigen.«
Haïmoná hob das Kinn, die rechte Augenbraue zuckte in die Höhe. »Das würde die Barbaren mehr als überraschen. Und es ist wichtig für uns.«
Amitàrai nickte. »Ich verspüre wenig Lust, mich unter die Erde zu begeben. Unsere Stärke liegt in der Geschwindigkeit und in der Täuschung unserer Feinde.«
»Gut für uns.« Haïmoná erhob sich und schulterte den Köcher mit den Wurfspeeren. Sie wollte in die Unterkunft zurückkehren.
»Bevor du gehst, sag, stimmt es, was man vernahm: Inóro und Gàthoras sind nicht mehr länger vereint?«
»Man sagt es, ja. Doch mehr weiß ich nicht.« Die schwarzhaarige Albin dachte kurz nach. »Fürchtest du um unsere Einheit?«
»Ich fürchte nur, dass die Liebe sich einen anderen Weg in unseren Reihen sucht und es zu Verwicklungen kommt«, gab Amitàrai zurück. »Solange sie das in der Garnison austragen und die Fronten klären, ist mir das recht. Aber da wir gegen die Kwaitoo ziehen werden, will ich nicht darüber nachdenken müssen, welches
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