Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)
Großteil des Flüsschens in die Höhle sickern wird.« Er gab die Karte an die Vorderen, damit sie einen Blick darauf werfen und sie weiterreichen konnten. »In der Zwischenzeit lenken wir die Barbaren mit vorgetäuschten Verhandlungen und kleineren Scheinattacken ab. Es wird nicht lange dauern, bis der Sand durch das einströmende Wasser locker wird und die Mauern einbrechen. Dann« – er zeigte auf die Goldstählernen – »kommt unser Einsatz. Eine Handvoll Barbaren darf überleben, denn sie werden die Leichen ihrer eigenen Leute für uns ringsherum an den Eingängen zum unterirdischen Irrgarten als Warnung für andere auftürmen. Erst danach sind auch sie an der Reihe. Haben das alle verstanden?«
Caiphôra stimmte in den bestätigenden Ruf der Veteraninnen und Veteranen mit ein.
»Das wird eine leichte Aufgabe«, raunte Fhòrinaî ihr zu, und ihr klarer Atem umwehte Caiphôras Ohr, sodass sie schauderte. »Danach haben wir endlich Zeit für uns.« Gemeinsam warfen sie einen Blick auf die Zeichnung, auf der ihr Weg durch das Gewirr markiert war. Innerhalb weniger Lidschläge hatten sie sich die Einzelheiten eingeprägt.
»Dann los. Jedes Wesen, das uns von nun an begegnet, wird getötet. Niemand darf die Barbaren warnen, bevor wir den Flusslauf nicht veränderten«, befahl der Benàmoi und sprang vom Felsen. »Bekamen alle die Karte zu sehen?«
Wieder ein einziger zustimmender Ruf.
Ewìlor nickte und gab das Signal zum Vorrücken in rautenförmiger Kampfformation, welche die Schar einnahm, sobald sie als Verband in ein Gefecht zog. Auch wenn es Caiphôra und Fhòrinaî schwerfiel, sie mussten sich trennen.
Die Asfámchai rückten nach außen, vor sie schoben sich die Ntîstai mit ihren langen Schilden zum Schutz, während die Fendònistai in die Mitte wanderten und ihre Schleudern bereithielten.
Auf Bogenschützen, die in dieser Einheit Xotai genannt wurden, verzichtete Ewìlor. Er fand, dass sie nicht zu den Goldstählernen passten und keinen taktischen Vorteil bedeuteten; zumal das Holz der Fernwaffen anfälliger war als die robusten Schleudern.
Die Goldstählerne Schar eilte voran, lautlos und tödlich.
Die Augen der Albae nahmen dank des Sternenschimmers die Umgebung bestens wahr, die Reflexionen des liegenden Schnees leuchteten in jeden Winkel und raubten den Schutz der Schatten.
Doch als würde es das Leben ahnen, dass Tod in hundertfünfzigfacher Form durch Ishím Voróo glitt, die Klingen der Speere und Schwerter geschliffen und die Schleudern bereit, gab es für die aufmerksamen, misstrauischen Albaugen nichts zu entdecken. Nichts und niemand streifte umher.
Samusin ist mit uns. Caiphôra freute sich darüber, dass ihr Vormarsch glatt vonstatten ging. Sie verdrängte ihre Ungeduld, die der Liebe und dem Neuen geschuldet war, und wagte es nicht, sich nach ihrer Fendònistai umzuwenden.
Vor ihnen erschien die ebene, doch äußerst furchige Gesteinslandschaft. Es wirkte, als seien wahllos geschwungene, schlangenartige Gräben tiefer und tiefer in den Felsenboden getrieben und an den Rändern rund geschliffen worden.
Hier und da senkten sich Pfade ab und führten unmittelbar in die Unterwelt, in der die Kwaitoo ihre Festung errichtet hatten, von der sie glaubten, sie sei uneinnehmbar.
Ihr Infamen und Unauslöschlichen. Für euch! Caiphôra atmete tief ein, sog mit der frischen Luft Kälte in die Lunge, während die Goldstählernen ihrem Benàmoi auf den zweiten Hohlweg folgten, der abwärts verlief und sich recht breit in den Fels grub, sodass sie ihre Rautenformation beibehalten konnten.
So hasteten sie einige Zeit voran.
Das Licht wurde schlechter, doch noch verzichteten sie darauf, kleine Lämpchen zu entzünden. Es roch nach altem Stein und nach Feuchtigkeit.
Urplötzlich erhob sich vor ihnen ein Haufen aus Schutt und Geröll, steil und viele Schritte hoch. Die Schar verharrte.
Ewìlor sandte Yágôras und Raikânor hinauf, um zu erkunden, wie weit sich die Halde erstreckte. Geschickt arbeiteten sich die beiden hinauf und verschwanden für etwa hundert Herzschläge aus Caiphôras Gesichtsfeld.
Die Goldstählernen bildeten derweil einen Kreis, die Schilde nach außen, dahinter die Schwertkämpfer, dann die Fendònistai.
Man hört nichts. Caiphôra wagte nun doch einen Blick zu Fhòrinaî, die ihre Augen jedoch unverwandt in die Höhe gerichtet hielt, um eine mögliche Bedrohung sofort zu erkennen; die mit einem Kantstein bestückte Schleuder lag locker über der Schulter. Nimm dir
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