Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)
ein Beispiel an ihr , maßregelte sie sich selbst. Achte auf die Umgebung.
Die Anspannung schwebte über dem kleinen Bollwerk, das sie souverän errichtet hatten. Angst verspürte niemand, doch die Stimmung in diesem Gang besaß etwas Bedrohliches. Ständig klickerten kleine abgesprungene Felsfragmente über den Boden und erzeugten das Trugbild, es würden sich Feinde nähern.
Es gab weder vernehmbare Schritte noch echte Anzeichen.
»Hört oder riecht jemand etwas Ungewöhnliches?«, wisperte der Benàmoi.
Außer einem Gefühl des zunehmenden Unwohlseins konnte Caiphôra nichts erwidern, also schwieg sie und der Rest der Schar tat es ihr gleich.
Die beiden ausgesandten Aufklärer erschienen wieder und rutschten über die Steine hinab zu ihnen.
»Diesen Weg können wir nicht nehmen. Weiter vorne gibt es kein Durchkommen«, berichtete Yágôras schnell, doch keinesfalls überhastet; dabei dämpfte er die Stimme, als wolle er die Nacht nicht erschrecken. »Die Schlucht ist teils eingestürzt, die Brocken türmen sich und liegen mitunter lose umher.«
»Das Gestein sieht spröde aus«, fügte Raikânor hinzu. »Es könnte zu neuen Abbrüchen kommen.«
Caiphôras Gedanken arbeiteten. Was löste den Einsturz aus? Ein Erdbeben dieser Stärke hätten wir bis nach Dsôn gespürt, zumal – sie blickte den Weg entlang, den sie gekommen waren – hier keine Felsen liegen.
Ewìlor betrachtete die Wände, die sich um sie erhoben. »Jemand versperrte den Pfad absichtlich.«
»Wegen uns?«, entschlüpfte es Yágôras.
»Dann wäre unsere Überraschung dahin.« Der Benàmoi nahm die Karte aus der dünnen Lederrolle heraus.
Caiphôra sah ihm an, dass er überdachte, einen anderen Weg bis zur Festung zu nehmen. »Doch was ist, wenn die Barbaren nicht die Urheber des Einsturzes waren?«
Ewìlor studierte die Zeichnung. »Du meinst, dass jemand die Kwaitoo einsperren wollte anstatt uns aus?«, gab er ohne aufzublicken zurück. »Jemand, der vor uns mit ihnen eine Rechnung begleichen wollte?«
»Trolle womöglich?« Raikânor legte eine Hand an den Waffengurt. »Sie vermögen es, Gebirge zum Einsturz zu bringen.«
»Es gibt hier keine Trolle«, hielt Caiphôra dagegen. »Dieses Gebiet war verlassen.«
Ewìlor hob ruckartig den Kopf. » Was sagst du?«
»Das Gebiet war verlassen«, wiederholte sie zögerlich. »Ich … vernahm, wohin uns die Unauslöschlichen senden, und erkundigte mich. Ich sah dich zwischen den ganzen Bergen von Schriftrollen sitzen und dachte, du tätest das Gleiche.«
»Ich suchte nach Schwachstellen in der Umgebung, doch ich kümmerte mich nicht um die Geschichten, die es zu diesem Ort gibt.« Der Benàmoi ließ Yágôras und Raikânor ihre Posten einnehmen und kam zu Caiphôra. »Gibt es etwas zu erzählen, was uns weiterhilft?«
»Nur eine Geschichte, mit der man kleine Kinder erschrecken könnte.«
In diesem Augenblick erklang ein dumpfes Grollen wie von einem fernen Gewitter, das lange rumorte und sich schier nicht beruhigen wollte.
Alle fühlten das sachte Beben unter den Stiefelsohlen, und schon lösten sich erneut winzige Steinchen von den Wänden, fielen prasselnd und klickend gegen die Schilde und Helme der Goldstählernen, als würde es hageln.
Caiphôra blickte nach oben. Sternenklar.
Ewìlor packte sie am Arm. »Die Geschichte, Caiphôra. Jetzt! « Sein Blick war hart.
»Ich fand sie durch eine Fügung, zwischen den ganzen Beschreibungen der Ödnis dieses Ortes«, begann sie, das Gelesene aus dem Gedächtnis wiedergebend. »Es ist eine Legende, die besagt, dass genau an dieser Stelle ein Dämon aus den Wolken geboren wurde. Die Niederkunft, die aus einschlagenden Blitzen, ätzendem Hagel und unaufhörlichem Sturm bestand, dauerte lange. Das fruchtbare Land, das sich einst hier befand, wurde vernichtet und der Fels darunter für immer gezeichnet.« Caiphôra überlegte. »Das war alles. Ich hielt es für einen netten Mythos.«
Erneut dröhnte das Donnern, dieses Mal näher und wütender, gefolgt von einem Steinchenschauer, der auf die Einheit niederging.
»Was geschah mit dem Dämon?«
»Ich … weiß es nicht. Das stand nicht geschrieben.« Caiphôra schluckte.
»Es hat vielleicht gar nichts mit ihrer Festung zu tun. Dachten die Kwaitoo deswegen , wir wagten nichts gegen sie zu unternehmen?« Raikânor zeigte auf den Schuttberg. »Weil sie sich mit dem Dämon verbündeten?«
Yágôras lachte ihn aus. »Es ist eine Geschichte!«
Ewìlor atmete langsam aus und gab
Weitere Kostenlose Bücher