Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)
Schräge hinab, stiegen eine Treppe von eintausend Stufen hinauf und gelangten in einen breiteren Gang, der etwa eine Pfeilschussweite von ihnen entfernt einen Knick nach rechts beschrieb.
Bevor sie die Biegung schließlich erreichten, vernahmen sie Männerstimmen, die sich in ruhigem Ton unterhielten.
»Wachen«, raunte Esmonäe.
Sisaroth schlich sich bis zur Kante, um zu spähen, und winkte die beiden zu sich. »Das ist durchaus ungewöhnlich«, flüsterte er ihnen zu.
Tossàlor hätte seine Freude daran. Tirîgon sah fünf Barbaren vor einem primitiven Gatter stehen, die bis an die Zähne gerüstet und bewaffnet waren. Die einzige Ausnahme bildeten hierbei ihre Köpfe. Die kreisförmige, starre Halsberge reichte bis unterhalb der Nase, aber die Augen und den oberen Schädel sparte die Panzerung aus.
Dafür hatten die Männer sich selbst skalpiert! Von den Ohrenspitzen aufwärts lag der Knochen blank. Auf irgendeine Weise hatten sie es geschafft, die Haut zu entfernen und zu verhindern, dass neue darüber wuchs.
Mit einer alchemistischen Tinktur gelang es ihnen womöglich. Tirîgon sah eingeritzte Symbole, eingearbeitetes Metall und Bemalungen in den Schädelteilen, die anscheinend eine Aussage über den Träger tätigten. Tätowierungen kenne ich, aber diese Art Körperschmuck muss eine Erfindung aus Phondrasôn sein.
»Gut, dass Tossàlor nicht mit dabei ist. Er würde unverzüglich zu ihnen gehen und alle lebend mitnehmen wollen, um sie zu untersuchen und zu befragen, wie ihnen das Skalpieren gelang.« Sisaroth hatte seinen Blick auf die Rüstungen gerichtet. »Einfache Arbeiten. Bronze, wenn ich es richtig sehe. Weich. Leicht zu durchschlagen.« Er sah in die Runde. »Wer unternimmt es?«
»Lasst mich euch zeigen, was ich vermag!« Esmonäe zog ihre beiden Dolche aus der Rückenhalterung und lief geduckt an der Wand entlang, wurde sofort von der Finsternis eingehüllt.
Die Barbaren stützten sich auf ihre Speere, redeten leise miteinander und achteten nicht sonderlich auf die Umgebung.
Gerade als einer von ihnen gestikulierend berichtete, löste sich Esmonäe von der Wand und trat an den rechten Barbaren heran. Auf Tirîgon wirkte es, als stiege die Albin aus schwarzem Wasser, das von ihr abperlte und sie widerwillig freigab.
Sie stieß einem Wächter die Klinge waagrecht in den Nacken, gleichzeitig dem anderen die zweite Spitze durchs Ohr. Esmonäe ließ die Griffe sofort los und zog die Dolche der Fallenden aus den Scheiden.
Sie ging lächelnd nach vorn, mitten unter die drei verbliebenen Barbaren: Einem zerschnitt sie beide Augen, einem rammte sie den Dolch in den sich öffnenden Mund, und dem Dritten versetzte sie einen Tritt gegen die Brust, der ihn gegen die Wand schleuderte. Erst dann tötete sie den Barbaren mit den verlorenen Augen, indem sie ihm die Klingenspitze durch eine Rüstungsnaht an der Seite stieß.
Schließlich hob Esmonäe einen Speer auf und schleuderte ihn gegen den letzten Überlebenden.
Die Waffe krachte durch die Halsberge und ließ den Barbar tot zusammenbrechen.
Unglaublich. Das Ganze war mit einer solchen Geschwindigkeit geschehen, dass Tirîgon bezweifelte, sich mit ihr messen zu können. Sogar Sisaroth würde es nicht gelingen. Unglaublich und bislang ungesehen. Kein Wächter hatte Gelegenheit zum Schrei bekommen. Höchstens das Rüstungsscheppern der Stürzenden konnte weitere Aufpasser gewarnt haben.
Die Brüder eilten zu ihr.
Esmonäe zog ihre eigenen Dolche aus den Leichen und wischte das Blut an deren Kleidung ab. Dabei filzte sie ihre Opfer. »Seid ihr zufrieden mit mir?« Sie lächelte glücklich und hatte einen gierigen Glanz in den Augen, ausgelöst durch die begangene Mordtat. Ihre Seele wollte noch mehr Blut vergießen und den Tod sehen.
»Sehr«, erwiderte Sisaroth und gab ihr einen knappen Kuss auf die Haare. »Du bist eine gute Schwester .« Sie lachten gemeinsam.
Das Loben hätte mir zugestanden. Der Kuss auch. »Gut gemacht«, murmelte Tirîgon. Er sah grimmig nach vorn durch das Gatter. Dahinter lag ein weiteres Stück Gang, das in eine hell erleuchtete Höhle führte.
Er öffnete den Durchgang und stahl sich bis zum Eingang.
Nach einer langen Zeit in Phondrasôn glaubte er, bislang alles an Kavernen, Hohlräumen, Gängen, Stollen, Tunneln und Löchern gesehen zu haben, die man sich vorstellen und nicht vorstellen konnte.
Aber dieser Anblick lehrte ihn eines Besseren.
Der unebene Boden verlief kuhlenförmig und bestand aus eckigen
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