Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)
der Hand, dass sie auf großen Lärm gehofft hatte.
Aus der Stube unter ihnen erklangen laute Stimmen. Die Tür wurde aufgerissen und Schritte polterten über den Holzboden.
Tirîgon warf seiner Gefährtin einen wütenden Blick zu: Jetzt mussten die Albae kämpfen.
Phondrasôn
Firûsha, Crotàgon und Tossàlor saßen Marandëi am Tisch im schlichten Speisesaal gegenüber. Der Ort war absichtlich gewählt: Hier gab es keinen Durchgang in die Gänge hinter den Mauern. Somit auch kein rasches Entkommen.
»Welches Spiel hast du mit uns getrieben?« Sie fuhr mit dem Zeigefinger durch die Splitter, die sich zwischen ihnen befanden. Es waren sämtliche Überbleibsel des Schädels, der angeblich einem Infamen gehörte. Ein Artefakt von unaussprechlicher Macht, zerstört mit einem einfachen Kerzenständer.
Firûsha hatte zunächst abwarten wollen, bis ihre Brüder zurückgekehrt waren, doch angesichts der dramatischen Umstände bedurfte es dringend einer Erläuterung. Nun war sie glücklich darüber, dass auf allen der Todesfluch lastete. Der beste Schutz gegen die Zauber der Cîanai, jedem Schwert und Schild überlegen.
Crotàgon und Tossàlor sollten ihr im wahrsten Sinn den Rücken stärken und Marandëi zeigen, dass sie isoliert stand. Niemand befand sich auf ihrer Seite.
Die Cîanai starrte auf die Fragmente. »Ihr habt nichts verstanden«, murmelte sie.
»Hattest du den Turm errichtet, um Albae darin zu fangen?«, fragte Firûsha. »Warum verbargst du den Schädel und dich hinter den Mauern des Palastes?« Sie fegte die Knochen, Perlchen, Blattgoldfetzen und Silberkügelchen mit einer Armbewegung vom Tisch. Hölzern klappernd und klickernd regneten sie auf den einfachen Steinplattenboden nieder und bildeten ein wirres Muster. »Rede!«
Marandëi hob langsam den Kopf, die weißen Augen durchdrangen Firûsha mit tödlicher Kälte und Verachtung. »Du hast den Schädel von Shëidogîs zerstört, des Größten der Infamen. Er war der Schutz des Palastes, das Herz, das hinter seinen Mauern schlug, der Schild gegen jegliche Gefahr. Ich fand und kümmerte mich um ihn, betete ihn an und versprach ihm Lohn.«
»Das Leben von Albae«, spie Firûsha aus. Sie war es wirklich.
Marandëi hörte nicht auf die Anschuldigung. »Der Palast stand bereits, als ich ihn fand. Die Bewohner und deren Vasallen unterwarf ich mit meinen Zaubern, und sie dienten mir und errichteten den Turm. Danach überließ ich sie dem Glassee und Shëidogîs.« Sie sah auf die knöchernen Überbleibsel. »Aber ich beging einen Fehler in meinen Berechnungen, und so landete ich in meinem eigenen Gefängnis. Ich schulde deinem Bruder zu viel, um ihn in Gefahr zu bringen, Firûsha.«
Sie vernahm die Unterscheidung sehr genau. Nur Sisaroth. Niemandem sonst.
»Weswegen verschwiegst du uns den Schädel?«, fragte Tossàlor. »Wir beten die Infamen ebenso an.«
»Ich ersuchte ihn um Rat, wen ich einweihen dürfe, aber Shëidogîs wollte es nicht. Die Zeit sei noch nicht reif.«
Crotàgon schnaubte. »Ich glaubte nie an die Infamen und schätzte die Macht der Unauslöschlichen wesentlich höher, auch wenn ich nicht alles guthieß und gutheiße, was sie anordnen und tun. Doch dass die Infamen eine Gestalt, gar einen Körper haben, dessen Überreste man zerstören kann, ist noch unwahrscheinlicher.« Er zeigte auf die Splitter. »Was macht dich sicher? Könnte es nicht ein Dämon gewesen sein, der dich beeinflusste?«
Nun wich die Verachtung der Empörung. »Niemals! Shëidogîs war einer der Infamen.«
»Auf welchem Weg gelangte er nach Phondrasôn, und wer platzierte seinen Kopf hinter der Wand?« Tossàlor schien sich prächtig zu unterhalten. Dass er der Cîanai nicht glaubte, konnte man sehen.
Marandëi atmete entnervt aus. »Ihr zweifelt zu viel. Und wäre der Schädel intakt, könnte ich es euch beweisen.« Sie sah kurz zu Firûsha. »Ohne seinen Einfluss auf den See, die Lava darunter und die unsichtbaren Magiefelder, die in der Höhle herrschten, müssen wir den Palast aufgeben. Shëidogîs’ Macht hielt die Balance zwischen all dem.«
»Das wirst sicherlich nicht du entscheiden«, warf Firûsha ein.
»Die Riegel an den Toren schließen nicht mehr, die Magie hat sich aus ihnen zurückgezogen. Es reicht, wenn eine Kinderhand sie aufdrückt«, gab Marandëi scharf zurück. »Du zerstörtest wesentlich mehr als ein Artefakt und die Seele eines Infamen. Du hast das Ende des Albaereichs in Phondrasôn besiegelt! Das werden dir deine Brüder
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