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Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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geflochtene Seile gehalten, eine Takelage gab es nicht. Auf welchem verlassenen Kahn bin ich gelandet?
    Tirîgon bemerkte das Zittern, das durch den Rumpf lief, und wuchtete sich in die Höhe, um über die Bordwand in die Fluten zu sehen.
    Eines der Scheusale hatte offenkundig versucht, das Schiff zu rammen. Zwei Runen in der Eisenverkleidung verblassten soeben, die Hälfte des hässlichen Fischkopfes war weggesprengt. Blut und Hirnfetzen trieben im Meer, tot schwamm der Kadaver in den Wellen und wurde sofort von anderen Bestien angegangen. Sie stritten sich um die Überreste desjenigen, mit dem sie noch gemeinsam gejagt hatten.
    Ein Verteidigungszauber! Das ist ein wirkungsvoller Schutz für den Kahn. Als Alb vermochte er magische Energie zu fühlen. Er hatte beim Hinaufklettern am Rumpf tatsächlich ein leichtes Kribbeln in den Fingern verspürt, es allerdings nicht auf die Anwesenheit von Magie, sondern auf die Anstrengung geschoben.
    »Willkommen an Bord«, sagte eine freundliche Stimme hinter ihm in der Sprache der Barbaren. »Ich hoffe, es ist dir recht, wenn ich dich zu mir nach Hause bringe? Dort kannst du dich ausruhen, Freund.«
    Tirîgon wandte sich um – und erstarrte: Die weiße Kleidung, das falsche Lächeln, die Tracht der langen dunkelblonden Haare verrieten zu deutlich, wessen Geschöpf vor ihn getreten war. Vor ihm stand ein Elb, ein Todfeind seines Volkes!
    »Komm, ich weise dir …«
    Sitalias Brut in Phondrasôn? Das Schwert zuckte hoch.
    Die scharfe Albklinge trennte surrend den Kopf vom Rumpf, bevor der Elb seinen nächsten Satz beenden konnte. Der Arm, der sich einladend erhoben hatte, fiel kraftlos herab. Der Schädel prallte zuerst dumpf auf die Planken, zerschnittene Haarsträhnen sowie der Körper folgten.
    Blut ergoss sich auf das verwitterte Holz.

 

    Aïsolon, der tapfere Freund des Helden Caphalor,
    bewährte sich als Statthalter,
    als Einiger, als Bewahrer der Ordnung.
    Er suchte einen Ort, an dem die Überlebenden verweilen konnten.
    So erschuf er Dsôn Sòmran,
    nicht mehr als ein Trichterkessel, doch uneinnehmbar.
    Die Mauer, die er erbauen ließ, schirmte sie
    und war zugleich Panzer gegen Neuigkeiten.
    Nichts kam herein und wenig heraus.
    Splitter wurden zu Momenten,
    Momente zu Teilen,
    und das Warten nahm kein Ende.
    Was immer man unternahm,
    es führte kaum zu Erfolg.
    Kein Weg führte nach Tark Draan,
    zu ihresgleichen.
    Aber eine Expedition versuchte sich an einem Ausfall.
    Aus dem Epos »Junge Götter«,
aufgezeichnet von Carmondai, dem Meister in Bildnis und Wort

 
    Phondrasôn, 5427. Teil der Unendlichkeit (6241. Sonnenzyklus), Frühling
    Sisaroth schob die Tür des Käfigs auf und kroch ins Freie.
    Um ihn herum war es finster wie in einem verschlossenen Brunnenschacht. Feuchte Wärme verhinderte, dass er fror. Vor Hunger und Durst, die in ihm tobten, schützte sie ihn allerdings nicht.
    Verflucht. Wohin genau verschlug es mich? Seine Beinwunde schmerzte, dazu fühlte sich seine rechte Schulter an, als wäre sie schwerer verletzt. Jede kleinste Bewegung brachte ihn zum Aufstöhnen, sie pulsierte heiß. An einen Kampf war damit nicht zu denken. Und das ausgerechnet in Phondrasôn, wo überall Feinde lauern.
    Er stand auf, tastete vorsichtig vorwärts, bis er auf eine Wand traf. An ihr schob er sich weiter, darauf bedacht, so wenig wie möglich Geräusche zu verursachen. Zwar gelang einem Alb das Schleichen so gut wie von selbst, aber ein Steinchen, das er mit seinen Stiefeln anstieß und wegrollte, konnte gehört werden.
    Er watete durch alte Knochen, und gelegentlich roch er frisches Blut, was kein gutes Zeichen war. Niemand verlor Lebenssaft gerne, nicht einmal Scheusale.
    Ich muss mir etwas gegen die Finsternis einfallen lassen. Sisaroth wagte es nicht, nach seinen Geschwistern zu rufen. Die Sorge um sie nahm von Herzschlag zu Herzschlag zu, doch falls Bestien durch seine Stimme auf ihn aufmerksam wurden, wollte er nicht ausschließen, dass er gegen deren schartige Klingen fiel. Mit einem Dolch, hinkend und einarmig? Was richte ich da aus?
    Wie lange er sich vorwärts bewegte, wusste er nicht.
    Die Dunkelheit raubte ihm jegliche Orientierung. Weder veränderte sich der Geruch noch irgendetwas anderes um ihn herum, aus dem er Schlüsse ziehen könnte. Schritt um Schritt humpelte er durch die Düsternis.
    Als er ein leises Grollen vernahm, ähnlich dem Rumpeln eines Mühlrads oder einer Zugvorrichtung, hielt er inne. Was nun?
    Vielfacher Lichtschein näherte sich

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