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Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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und der sich mit dicken, verwinkelten Schutzmauern vor Steinschlägen umgab, aber sie wollte nicht ein weiteres Mal zerzaust und verschwitzt vor Aïsolon treten. Ranôria hatte vor, ihn zu beeindrucken, nicht Mitleid oder Abneigung zu erregen.
    Ihren aufgebrachten Auftritt in jener Nacht, als er ihre gemeinsamen Kinder hatte abführen lassen, betrachtete sie im Nachhinein als schlechte Eingebung. Er hatte sie einfach stehen lassen und ihr geraten wiederzukommen, wenn sie sich beruhigt habe.
    Ranôria fühlte sich jetzt, einen Moment der Unendlichkeit nach dem Vorfall und der Verbannung, durchaus ruhiger. Sie war umso entschlossener, nicht ohne Auskünfte aus dem Amtssitz des Statthalters zu gehen. Lange Zeit war er ihr Gefährte gewesen und hatte mit ihr drei Kinder gezeugt.
    Was trieb ihn dazu, einen solchen Befehl zu geben? Ranôria verließ den Weg und schritt durch das Tor, betrat den schmalen Innenhof, der im langen Schatten des Walles lag. Der Regen hatte die Platten schwarz eingefärbt, es nieselte auf ihren Umhang.
    Die Wachen salutierten, als sie auf den Eingang des Haupthauses zuschritt, einer von ihnen öffnete ihr die Tür.
    Im Inneren wurde sie bereits von einem Sytràp erwartet, der ihr grüßend zunickte. Er nahm ihr den nassen Umhang ab und reichte ihn einem Sklaven. »Folge mir. Aïsolon erwartet dich.«
    Der Alb schritt voran und führte sie durch die engen Gänge, vorbei an beschlagenen Türen, hinter denen die Mannschaftsquartiere der Garde lagen. Sie zeichneten für die innere Sicherheit verantwortlich. Die Wallmannschaften lebten dagegen im Innern der Mauer, die Dsôn Sòmran vor dem Ansturm der Bestien bewahrte.
    Es roch nach Öl, mit dem die Soldaten ihre Waffen vor der Feuchtigkeit schützten. Leuchter erhellten den Korridor, der vor einer Doppeltür endete.
    Der Alb klopfte dagegen und öffnete sie nach einem leisen Ruf von der anderen Seite. Ranôria ging gemessenen Schrittes an ihrem Begleiter vorbei in das Amtszimmer des Statthalters.
    Aïsolon saß hinter einem Schreibtisch, der aus winzigen Knochentäfelchen zusammengefügt war und in dem Intarsien aus Gold und Halbedelsteinen leuchteten. An den Wänden hingen verschiedene Bestienwaffen, die er bei den Schlachten auf dem Wall erbeutet und aufgehoben hatte. Sie alle zeichneten sich durch ihre Ungewöhnlichkeit aus, entweder durch ihre Form oder in der Handhabung, wie Ranôria wusste.
    Er zeigte auf den Sessel vor dem Tisch. »Tritt näher. Möchtest du etwas trinken?« Er hielt eine Schreibfeder aus biegsamem Metall und setzte damit seine Unterschrift unter ein Papier. »Ich bin gleich so weit.« Das fließende Gewand in Nachtblau stand ihm, ebenso der dunkelgraue offene Überwurf dazu.
    »Nein, danke. Ich bin nicht durstig.« Sie nickte zur Trophäenwand, während sie sich setzte. »Es ist schon lange nichts mehr dazugekommen.«
    »Ich bin nicht böse darüber, dass die Óarcos keine Lust verspüren, noch mehr Tote zu beklagen.« Aïsolon steckte die Feder in den Halter und seufzte. »Es sprach sich unter den Bestien herum, dass unsere Mauer nicht zu bezwingen ist. Es ist friedlich. So friedlich«, er verschränkte die Finger, »dass die Bewohner unseres Reiches aus Langeweile beginnen, sich gegenseitig umzubringen.«
    »Oh, du nennst diese Stadt noch immer Reich ?« Ranôria lächelte mitleidig. »Für mich ist es nicht mehr als ein Gefängnis. Ein zweites Phondrasôn ohne Bestien. Wir sind keine Wartenden. Wir sind die wahren Verbannten.«
    Aïsolon hob die Augenbrauen. »Ist das nicht etwas übertrieben?«
    »Keinesfalls übertriebener als unsere Kinder aus Dsôn zu jagen und sie in den Schlund vor dem Wall zu schleudern!«, sprach sie schneidend und bewusst langsam.
    »Sagte ich nicht, du sollst zu mir kommen, wenn du dich beruhigt hast?«
    »Erwecke ich für dich den Eindruck, unbeherrscht zu sein?«, konterte sie kühl. »Was ist mit dieser absurden Anschuldigung, dass Firûsha und Sisaroth einen Mord begangen haben sollen?«
    »Nicht einen Mord. Einen vielfachen «, verbesserte er und langte unter den Tisch, um eine Ledermappe herauszuziehen und sie auf den Tisch zu legen. Akkurat entfernte er die Kordeln, mit denen sie zusammengebunden war, öffnete den Deckel und legte eine Hand auf die darin befindlichen Seiten. »Ich dürfte dich das gar nicht lesen lassen, aber damit du mir glaubst und du verstehst, dass ich nicht anders konnte …«
    »Du bist ihr Vater!«, sprach Ranôria druckvoll, ohne jedoch die Stimme zu erheben. Ich

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