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Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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natürlich Unsinn, den Ersten Sytràp zu schmähen, obgleich er lediglich Befehle ausgeführt hatte, doch die Albin konnte sich nicht gegen ihre schlechten Gefühle wehren.
    Ranôria ließ ihn stehen und ging zum Tor hinaus, zu einem der Aufzüge, die auf Schienen die steilen Hänge von Dsôn hoch und runter liefen.
    Regen fiel aus den dunklen Wolken, die sich an den Hängen stauten und ihre kaltnasse Last über der Stadt ausschütteten. Die Tropfen schlugen auf und spritzten auseinander, das allgegenwärtige Prasseln umgab sie. Ihr Umhang und die Kapuze waren mit Wachslösung behandelt und wehrten die himmlischen Angriffe ab, in kleinen Strömen glitt das Wasser von den Schultern herab und lief auf den Boden.
    Die Namen der Albae, welche die Schuld von Firûsha und Sisaroth beschworen, hatten sich in ihr Gedächtnis gebrannt. Tief und unauslöschbar. Bei wem beginne ich?
    Sie kam zu dem Entschluss, während sie die gondelähnliche Plattform des Aufzugs betrat, zuerst bei Wènelon vorzusprechen. Er gehörte zu denen, die sie nicht unbedingt als Gegner bezeichnen würde, und hielt sich aus Streitereien heraus. Bei ihm stieß sie sicherlich nicht auf taube Ohren und ein verschlossenes Herz.
    »Aufwärts, vierter Ring«, sagte sie zu dem Alb, der die Vorrichtung bediente.
    Er nickte und betätigte den Hebel. Winden, Ketten und Gegengewichte setzten sich in Bewegung und schleppten sie vorwärts.
    Ranôria streifte die Kapuze zurück und grübelte. Was hatte Wènelon bei dem Festmahl überhaupt zu suchen, wo er es üblicherweise vermeidet, Position zu beziehen? Daraus ergab sich ein neuerlicher Gedanke, den sie vorher nicht bedacht hatte. Was gab es eigentlich für Sémaina zu feiern? Einen entsprechenden Vermerk hatte sie in Aïsolons Aufzeichnungen ebenso vermisst. Er wird mir mehr über den Anlass des Treffens verraten.
    Die Plattform arbeitete sich in die Höhe. Gelegentlich hielt sie an, um Passagiere zusteigen zu lassen. Insgesamt war die Stadt in elf Abschnitte eingeteilt, die sogenannten Ringe. Sie standen gleichzeitig für den Status einer Familie, eines Albs oder einer Albin. Je höher man gelangte, desto mehr galt man.
    Ranôria dachte wehmütig an Dsôn Faïmon zurück. Das alte Dsôn. An die Strahlarme, in denen sich die verschiedenen Gruppen, wie Krieger, Künstler, Gelehrte und andere, nach ihrer Profession niedergelassen hatten.
    In dieser Ersatzstadt galt diese Aufteilung nicht mehr. Eine Durchmischung war erfolgt, die sie nicht guthieß. Wir sind ohne klare Linie, ohne Führung und ohne ein echtes Zuhause.
    Sicherlich honorierte sie Aïsolons Bestreben, Ordnung in das Leben in der Zerstreutheit zu bringen. Aber Ranôria sah mit jedem Sonnenaufgang, dass die Albae litten.
    Das Warten machte sie mürbe, sie verloren ihre Zuversicht, ihre Werte, ihre Haltung – und das veränderte die Gesellschaft, sogar das Denken.
    Das, was ihr Volk einst ausmachte, geriet in Gefahr. Das betraf in erster Linie diejenigen, welche in Dsôn Sòmran geboren wurden und lediglich den Trichter und die tristen Berghänge kannten.
    Ranôria hatte versucht, ihre Drillinge in der alten Tradition zu erziehen. Ihr ganzer Stolz, verloren gegangen in Phondrasôn.
    Ich hole euch zurück!
    Die Plattform hielt an. »Vierter Ring«, verkündete der Alb.
    Sie stieg aus und zog die Kapuze über die schwarzen Haare mit den elf hellen Strähnen. Sie war gespannt, wie sich Wènelon bei ihrer Unterredung verhielt und welche Erkenntnisse sie gewann.
    Am meisten fürchtete sich Ranôria davor, dass sämtliche Zeugen die Wahrheit gesprochen hatten.

 

    Die Expedition gelangte durch den Steinernen Torweg,
    wo es nichts mehr an Bestien gab.
    Kniehoch lag der Staub,
    vor Óarcorüstungen und herrenlosen Waffen
    gab es fast kein Durchkommen
    durch Stollen und Gänge.
    Etwas musste die Scheusale auf magische Weise vernichtet haben!
    Sie marschierten durch das verlassene Reich der Unterirdischen,
    und gerade als sie das Tor erreichten,
    um Tark Draan zu betreten und zu den Unauslöschlichen vorzustoßen,
    trat ihnen eine neue Armee der Unterirdischen entgegen.
    Bei aller Gegenwehr mussten sich die Albae zurückziehen.
    Schweren Herzens und voll Kummer,
    vor dem Ziel gescheitert zu sein.
    Die Tore des Steinernen Torwegs schlossen sich
    hinter ihnen.
    Aus dem Epos »Junge Götter«,
aufgezeichnet von Carmondai, dem Meister in Bildnis und Wort

 
    Phondrasôn, 5427. Teil der Unendlichkeit (6241. Sonnenzyklus), Frühling
    Tirîgon verschwendete keinen

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