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Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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würde ihn gerne anschreien.
    »Gerade deswegen darf ich mir nicht erlauben, Milde zu zeigen. Oder Schwäche«, gab er zurück. Um seine Mundwinkel zuckte es. In ihm tobten erkennbar die Gefühle. »Mir zerriss es die Seele, als ich den Befehl an Gàlaidon gab, mein eigen Fleisch und Blut zu finden und auf den Wall zu bringen, damit sie nach Phondrasôn gelangen. Als ich vernahm, dass Tirîgon freiwillig …« Er unterbrach sich und wandte das Gesicht ab. Er schob die Aufzeichnungen ohne ein weiteres Wort zu ihr, dann erhob sich Aïsolon fluchtartig und schritt vor seinen Waffenwänden auf und ab.
    Sie verstand, dass er es sich bei seinem Urteil nicht leicht gemacht hatte. Mitleid für ihn wollte sich dennoch nicht einstellen. Ihre Augen huschten hin und her, die Blicke flogen über die Zeilen.
    Die Beweislast gegen Firûsha und Sisaroth war erdrückend.
    Sieben Zeugennamen waren säuberlich von ihrem einstigen Gefährten notiert, sie waren alle von reinstem Leumund und unzweifelhaft, ehrwürdig und aus angesehenen Häusern.
    Im Hause Tênnegor hatte am fraglichen Abend ein Festmahl auf Einladung von Sémaina stattgefunden, bei dem sich auch die Zeugen befanden. Alle unterhielten sich prächtig, wie Ranôria lesen durfte, und man machte Scherze über die Bestien, über das miese Wetter, über Samusin und über …
    Mich? Ihr Stolz begehrte kurz auf.
    Sie kannte ihre Neider, die sie auf den Umstand reduzierten, Drillingen das Leben geschenkt zu haben und das Wunder von Dsôn zu sein. Ihre unvergleichliche Stimme wurde von ihnen nicht anerkannt. Schon gar nicht von Tênnegors Gefährtin Sémaina, die sich als die bessere Sängerin betrachtete. Eher im Gegenteil: Ranôrias Talent sei mit den drei Kindern zusammen aus ihr gefahren.
    Es stand auf den Seiten geschrieben, dass just im Augenblick des lautesten Gelächters die Türen aufflogen und Sisaroth hereingestürmt kam, den Dolch gezogen und sichtlich aufgebracht. Er verlangte von Sémaina eine öffentliche Entschuldigung, um die Schmach von seiner Mutter zu nehmen, die seit den unaufhörlichen Beleidigungen auf ihr läge.
    Da sich Sémaina weigerte und das Aufbrausen Sisaroths für einen Scherz und den Überschwang der Jugend hielt, packte Sisaroth sie und schleuderte die Albin auf den Tisch, zerrte die Zunge heraus und schnitt sie ihr mit den Worten heraus: »Du wirst meine Mutter niemals wieder lästern!«
    Kann das sein? Er ist gelegentlich unbeherrscht, gewiss. Doch eine solche Tat! Ranôrias Finger bebten beim Umblättern leicht.
    Die Berichte der Zeugen sagten übereinstimmend, dass Firûsha dazukam und die Gäste mit einer erhobenen zerbrechlichen Petroleumlampe zurückhielt und drohte, sie zu schleudern und alle anzuzünden, falls man eingreife. Als einer der Gäste die Flammen im Raum erlöschen ließ, tötete Sisaroth Sémaina durch einen Kehlenschnitt.
    Im Schutz der Dunkelheit entkamen die Geschwister. Später fand man die Leichen der beiden Kinder und Tênnegors kalten Leib in den Zimmern des Hauses.
    Sieben Zeugen. Ranôria rang den Schwindel nieder, der sie bedrohte. Sie können sich nicht alle täuschen oder alle lügen.
    Drei von den Albae, die unterzeichnet hatten, kannte sie persönlich, die Namen der anderen waren ihr bekannt. Bei einem oder zwei Zeugen hätte sie an eine Intrige gegen ihre Kinder geglaubt, aber die stattliche Anzahl von Augenzeugen machte es unmöglich.
    Ranôria hob den Kopf und blickte Aïsolon an. »Ich verstehe, warum du es tun musstest«, sagte sie leise und leistete unausgesprochene Abbitte für ihr Benehmen. »Ich hätte zuerst lesen müssen, bevor ich dich mit Vorwürfen überhäufte.«
    Er nickte, schluckte und setzte sich, goss aromatisiertes Wasser in einen Glaskelch und trank hastig. »Kannst du dir vorstellen, wie ich mich dabei fühlte oder was in mir vorging, als ich unsere Kinder in die Dunkelheit von Phondrasôn verdammte?«, sprach er leise und sah in das Gefäß.
    »Ich hätte mich gerne von ihnen verabschiedet.«
    »Und ich musste verhindern, dass eine aufgebrachte Menge Firûsha und Sisaroth vor meinen Wachen erreicht und sie aufknüpft, über die Mauer wirft oder in den Steinbruch schleudert«, erwiderte er schwer. »Was ich tat, tat ich zu deren Schutz.« Aïsolon lehnte sich nach hinten und sah auf die Waffen. »Es klingt seltsam, doch es entspricht der Wahrheit.«
    Wie konnten sie sich von ihrem Stolz zu der Tat hinreißen lassen? Ranôria versuchte nachzuvollziehen, weswegen die Geschwister Hals über

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