Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)
Virssàgon-Schüler angeht, das kann Gàlaidon machen. Er ist ein guter Erster Sytràp. Und schlau. Er wird sie aufstöbern, sofern es welche unter uns gibt.« Cèlantra beugte sich vor und küsste ihn auf die dunklen Haare, umrundete ihn und setzte sich neben ihn auf die Truhe. »Sie war eine Schönheit, an Gestalt und Stimme. Ein schwerer Verlust«, flüsterte sie betroffen. »Nichts rechtfertigt diese Tat. Du musst ihren Mörder finden.«
»Ich habe es ihr bereits versprochen.« Aïsolon liebte die Albin an seiner Seite, und doch spürte er die alte Verbindung zu Ranôria. Wahrlich ein schwerer Verlust. Mein Herz wiegt mehr als ein Mühlstein in meiner Brust. Jeder Schlag schmerzt.
Sachte legte er die Leichenhand zurück auf die Dielen, Cèlantra tupfte ihm die Spuren der Tränen vom Antlitz. »Ich vermute, sie war zuerst bei Wènelon und danach bei der Geschichtenweberin. Sie suchte die Zeugen ihres Wohnortes entsprechend auf und befragte sie. Vermutlich wollte sie zu Nomirôs, als sie …« Er schluckte. »Es ist unvorstellbar, dass der Attentäter eine Plattform abstürzen ließ und hoffte, wir würden seine Taten nicht bemerken.« Eine solche Rücksichtslosigkeit gegenüber dem eigenen Volk.
»Wenn ich dir bei den Untersuchungen helfen kann, ich werde …«
»Suche ihren Leichnam nach Spuren ab, bitte. Etwas, das er auf ihr oder an ihr hinterließ«, unterbrach Aïsolon sie. »Ich möchte nicht, dass du die Aufmerksamkeit derer erregst, die Ranôria töten ließen. Wer weiß, was sie aus Furcht vor einer Entdeckung anstellen.« Sie darf nicht auch noch in Gefahr geraten. Aïsolon erhob sich. »Ich lasse ihre Leiche zu dir in die Hochschule bringen.« Er sah ihr in die gelbgrünen Augen. »Niemand sonst wird deine Erkenntnisse zu hören bekommen. Du erstattest allein mir Bericht.«
»Natürlich«, erwiderte Cèlantra nickend.
»Ich werde dir einen meiner besten Krieger zur Seite stellen, damit du und unser Kind sicher seid.« Er küsste sie zärtlich auf den Mund und drückte sie an sich, bevor sie die Stiege und Treppen hinabgingen, um das Haus zu verlassen.
Unten angekommen, erteilte Aïsolon seinen Untergebenen Befehle, was als Nächstes zu tun sei, nahm sich zwei Gardisten mit und eilte zur nächsten Aufzugplattform.
Es würde bald hell werden, sofern man im Nebel von hell sprechen durfte. Der Winter ist zäh, dachte er, während er und seine beiden Begleiter durch Dsôn schritten.
Inzwischen konnte er sich besser konzentrieren und war stärker auf seine Aufgaben fokussiert. Er befürchtete, dass es nicht bei den drei Toten bleiben würde, sollte er das Komplott nicht schnell genug aufdecken können.
Man lässt mich bestimmt beobachten. Aïsolon sah keinen Sinn in dem, was in seiner Stadt geschah, die er für die Unauslöschlichen verwaltete, bis die Albae von ihnen nach Tark Draan gerufen wurden. Ein Statthalter, mehr war er nicht, und deswegen trug er diesen geringen Titel, obwohl er sich ebenso Herrscher nennen konnte. Warum passiert all das ausgerechnet jetzt?
Seit Bestehen des Übergangsreichs in den Trichterhängen des Grauen Gebirges hatte es eine Handvoll Morde gegeben, die entweder aus einem Gefühl heraus oder von Geisteskranken begangen wurden. Die Schuldigen, allesamt geständig, verschwanden nach Phondrasôn, um nach Ablauf ihrer Strafzeit zurückkehren zu dürfen. Den meisten gelang das nicht. Das machte die Sorge um seine Drillinge nicht geringer.
Ich hätte mir ihre Ansicht über die Tatnacht anhören müssen, dachte er bitter. Aber alles schien so deutlich.
Sie fuhren mit der Kabine aufwärts, in den vierten Ring.
Seine Soldaten sprachen kein Wort und sahen sich unentwegt um. Niemand durfte dem Statthalter zu nahe kommen, so lautete Aïsolons Anweisung. Nicht nach den Vorfällen, die bald Inhalt eines jeden Gesprächs in der Stadt sein würden.
Am liebsten wäre es mir, ich finde in den kommenden Momenten der Unendlichkeit den Hinweis und decke den Ring der Verschwörer auf! Sein Gemüt war noch immer in Aufruhr. Das Bild der ermordeten Ranôria ging ihm nicht aus dem Sinn. Die Wut, die Cèlantra zuvor hatte abkühlen können, erwachte von Neuem. Das Ziehen im Antlitz sagte ihm, dass sich schwarze, bedrohliche Zorneslinien bildeten.
Sie gelangten in den vierten Ring, stiegen aus und gingen zügig durch die Straßen zu Wènelons Haus. Aïsolon ließ einen Gardisten klopfen.
Als sich die Tür öffnete und ein verschlafenes Gesicht im Spalt sichtbar wurde, trat der
Weitere Kostenlose Bücher