Die Legenden der Albae: Dunkle Pfade (German Edition)
ihm und leuchtete umher. »Ich erkenne die Umgebung wieder. Das ist eine Vorhöhle, die zum Palast gehörte. Hier hat man Zelte aufgeschlagen und Gäste untergebracht.«
»Warum nicht im Palast?«
»Man wollte keine Fremden zur Übernachtung im Gebäude, wie ich aus den Schriften entnehmen konnte.« Die Cîanai stellte den Stab hin und schenkte Sisaroth einen langen Blick. »Ist es so schwer? Wir sind in Phondrasôn, Sisaroth. Vergiss das niemals, und wenn die Wesen sich noch so nett geben, die dir begegnen.«
»Sollte ich diese Vorsicht auch bei dir walten lassen?«, fragte er scherzhaft.
»Wenn ich meinen Dienst abgeleistet habe, solltest du dich vor mir hüten. Momentan hast du den besten Schutz vor mir, den du dir wünschen kannst: meine schwurgebundene Treue.« Marandëi wirkte keinesfalls belustigt. »Wir müssen da hinein.« Sie ging mutig voran, als befände sie sich in sicherer Umgebung.
Ganz schlau wurde Sisaroth nicht aus ihr. Aber ich werde ihren Rat beherzigen. Gut, dass sie mir die nächsten fünf Teile verpflichtet ist. »Möchtest du mir vielleicht noch etwas über deinen Meister erzählen?«
»Willst du, dass ich das tue?« Sie klang nicht begeistert, nahm den Stab und ging weiter.
»Du musst nicht. Du stehst in meinen Diensten, aber du bist nicht meine Sklavin«, erwiderte er. »Ich bin neugierig, das ist alles.« Da er bemerkte, dass sie keine Lust hatte, versuchte er es anders. »Ich habe eine bessere Idee. Du kannst mir erklären, was sich bei meiner Ankunft zutrug. Ich geriet mit einem Unterirdischen aneinander, als wir beide von einem eigentümlichen Kraftfeld erfasst wurden.« Er schilderte ihr, wie sich die Luft um ihn herum aufgeladen hatte, berichtete vom Kribbeln, wie die Wutlinien ohne sein Zutun entstanden und er gefangen war, während die Energie ihn peinigte.
Marandëi blieb abrupt stehen, wandte sich zu ihm und hielt das Licht so, dass sie ihn besser betrachten konnte. Sisaroth kam sich vor, als würde ihn eine Heilerin auf Krankheiten und Veränderungen untersuchen.
»Das ist eines der gefährlichsten Wunder, die es in Phondrasôn gibt«, sagte sie langsam und betastete seine Züge. »Schmerzt das?«
»Nein.« Sisaroths Misstrauen wuchs. »Was würde es bedeuten?«
»Dass die Magie dich veränderte. Es gibt die absonderlichsten Wunder. Diese Kraft geistert lose umher, scheint es sich gelegentlich an einer Stelle bequem zu machen, wie in den Wänden um den Turm, in dem wir steckten. In anderen Fällen schießt sie regelrecht durch die Tunnel und reißt alles weg, was sich ihr in den Weg stellt.« Marandëi leuchtete zu seinem Erstaunen die Wände ab.
»Und welchen Sinn ergibt das? Was glaubst du daran zu entdecken?«
»Da du unversehrt bliebst, könnte sich etwas um dich herum verändert haben«, erklärte sie. »Ich betrachte nicht den Felsen, ich möchte sehen, wie sich dein Schatten benimmt.«
Sie ist doch recht merkwürdig. Sisaroth lachte. »Was soll mit ihm sein?«
Marandëi senkte den Stab, ihr Mund war verkniffen. »Das werden wir in meinem Palast herausfinden. Hier ist es zu dunkel.« Sie lief los. »Er meinte, ich könnte es nicht mit ihm aufnehmen.«
»Du sprichst mit meinem Schatten?«
»Ich meinte meinen Meister«, gab sie trocken zurück. »Ich lernte vieles von ihm, und ich wusste, dass ich ihn übertrumpfen würde. Auch er spürte es und ließ keine Gelegenheit aus, mich vor den anderen zu erniedrigen. Er fürchtete um seinen Ruf.«
»Das war in Dsôn Faïmon«, warf er ein. Er wünschte, er könnte das Gespräch mit dem Unterirdischen vergessen, der davon gesprochen hatte, dass es auch kein Albaereich und keine Unauslöschlichen mehr in Tark Draan gab. Unsinn. Ausgedacht, um mich zu täuschen, wischte er den aufkeimenden Gedanken davon.
Sie stieß ein Geräusch aus, das zwischen Lachen und Trauer lag. »Ich vergesse, dass unser Reich offenbar vergangen ist.« Marandëi führte sie in einen langen Gang, der eine gemauerte Bogendecke aufwies, in die blasse Malereien aufgebracht waren. »Ein Leben ohne die Strahlarme, ohne das Schwarze Herz, ohne Beinturm.« Sie schüttelte die blondlockigen Haare. »Ich will es mir nicht vorstellen und fürchte dennoch, dass du die Wahrheit sprachst.«
»Ich würde mir wünschen, die Heimat meiner Eltern zu sehen. Sie vermissen sie sehr.« Sisaroth dachte an die schwärmenden Worte seines Vaters, der die Schönheit in allen Farben zu schildern vermochte. Die Bilder, unter denen sie hindurchschritten, betrachtete er
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