Die Legenden der Albae: Tobender Sturm (Die Legenden der Albae 4) (German Edition)
die auf der Innenseite angebracht worden war.
Ihre Heiterkeit erlosch.
Ich ahnte, dass Du versuchen wirst, Dir Zugang zum Inhalt zu verschaffen.
Sieh es als weitere Probe, die Du nicht bestanden hast.
Einer Deiner Begleiter trägt meine Nachricht an die Herrscherin bei sich. Jener hätte Dir vor Erreichen der Stadt das Kästchen abgenommen.
Was soll ich zu Deinem Versuch sagen, meine Anweisungen zu unterlaufen?
Inàste hasst mich, dass DU mein Fleisch und Blut sein musst.
Als Dein Oheim muss ich Dir gestehen, dass Du eine einzige Enttäuschung bist. Deine Mutter war um so viel besser als Du und ging viel zu früh von uns.
Sei ihr endlich eine würdige Erbin!
Um ihretwillen hoffe ich inständig, dass Du erfolgreich sein wirst.
Sonst wüsste ich nicht, was ich mit Dir bei einer Rückkehr noch anfangen sollte …
Irïanora klappte den Deckel zu, ihr Gesicht erhitzte sich.
Ganz deutlich spürte sie, wie eine Wutlinie über der rechten Augenbraue entstand und von dort in gezackten Linien über das Antlitz wanderte. Langsam und tastend, als müsste sie die Haut und die Züge der Albin erkunden.
Erfolgreich bin ich, wenn ich MEIN Ziel erreichte und nicht deins! Sie hob den Arm und schleuderte die Kassette in hohem Bogen durch die Äste der Weide in den Fluss. Grüne Blätter rissen ab und fielen ins Gras, Blüten lösten sich und segelten viel zu langsam herab.
Die Strömung riss das leichte Holzbehältnis mit sich.
Irïanora verfolgte, wie es gegen einen Steinbrocken prallte und in mehrere Teile zerbrach; einige Trümmer wurden nach unten gesogen, andere trieben im Tronjor davon.
Wertlose Prüfung, dachte sie. Was wollte er mir damit sagen? Dass er mich zu kennen glaubt? Die blonde Albin spürte das Wachssiegel mit dem Zeichen ihres Oheims in ihren Fingern. Da wird er sich wundern.
Sie steckte das Plättchen ein und achtete darauf, dass es weder zerbrach noch zu viel Druck darauf ausgeübt wurde. Es konnte von Nutzen sein, um Shôtoràs eine Tat oder ein Geschenk anzuhängen, das ihn in Bedrängnis brachte.
Irïanora lächelte kalt, aber selbst das bereitete ihr Schmerzen. Er unterschätzt mich wie ich ihn.
Und doch hätte sie ihn zu gerne auf ihrer Seite gewusst. Seine Vergangenheit als Gestirn schien dies jedoch unmöglich zu machen. Aber der Krieg und die Unterwerfung der Tochterstadt bedeutete der blonden Albin und ihren Unterstützern alles.
Ihre Mutter war nicht in die Endlichkeit gegangen, wie es die Formulierung ihres Oheims vermuten ließ – sie hatte zu denjenigen gehört, welche nach Elhàtor ausgezogen waren und alles hinter sich ließen, um einen Neuanfang zu wagen.
Seitdem war sie für Shôtoràs gestorben. Irïanora hegte den gleichen abgrundtiefen Hass für ihre Mutter wie für die Albin, die ihr die Mutter stahl. Ihr Vater hatte sie alleine großgezogen, bevor er einem Fieber zum Opfer fiel. Manche meinten gar, er habe die Trennung von seiner Gefährtin nicht überwunden und sei daran zugrunde gegangen.
Irïanora hatte ihm auf dem Totenbett geschworen, alles zu tun, um Elhàtor und ihre Herrscherin zu bezwingen, die hundertfaches Elend über Dâkiòn und noch größeres über ihre Familie gebracht hatte.
Irïanora blickte zum Fluss. Ich werde nicht nach Mutter fragen. Sie ist mir so gleichgültig geworden, wie ich es ihr war, als sie mich verließ. Am Ende wollte diese Verräterin sie vielleicht in die Arme schließen und so tun, als freue sie sich über den Anblick. Sollte das geschehen, steche ich sie nieder, Vater.
Rufe wurden laut, die Bootsmannschaft hatte den Späher bemerkt.
Der Alb aus Elhàtor kletterte zu ihnen hinab, zwei weitere näherten sich aus dem anschließenden Wald. Obwohl sie dicht neben der Gruppe verborgen gelegen hatten, hatte zuvor niemand die Beobachter bemerkt.
Sie sind gefährlich gut. Irïanora löste sich von ihren Gedanken zu ihrer Vergangenheit und fragte sich, wie viele von diesen Spionen rund um Dâkiòn verteilt in der Erde lagen und die Stadt zu jeder Zeit im Blick hatten.
Damit gerieten auch ihre Pläne in Gefahr.
Meinem Oheim mag ich gelegentlich entgehen, aber was ist, wenn sie mich und meine Vorbereitungen verfolgen? Die Albin verfiel wieder in unschönes Grübeln. Ich werde Gegenmaßnahmen treffen müssen.
Der Krieger aus der Leibwache ihres Oheims, dessen Namen sie ständig vergaß, drückte die Äste mit seinem Speer zur Seite und kam zu ihr unter die Tränenweide. »Die Abordnung aus Elhàtor ist da. Sie werden uns mit ihrem Boot
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