Die Legenden der Albae - Vernichtender Hass
sprach: Wie ist dies
möglich? Hast du nicht alles verloren, deinen Ruhm, dein Amt und deine
Befehls-gewalt? Wie kannst du guten Mutes sein?
Und Caphalor lächelte und erwiderte: Ich
bin es einfach. Denn meine Seele wurde berührt, an einer Stelle, die ich
verloren glaubte. Dafür lebte ich früher, es ward mir entrissen.
Ohne dies wollte ich in die Endlichkeit
ziehen, im Getümmel glorreich sterben.
Nun aber, da ich wahrlich lebendig bin und
erweckt wurde aus der Starre meines Herzens, werde ich umso härter im Gefecht
kämpfen.
Für mich.
Für die Unendlichkeit.
Für SIE.
Aus dem
Epos »Die Helden von Tark Draan«,
aufgezeichnet
von Carmondai, dem Meister in Bildnis und Wort
Â
IshÃm Voróo (Jenseitiges
Land), Dsôn Faïmon, Dsôn, 4371./72. Teil der Unendlichkeit (5199./ 200.
Sonnenzyklus), Winter
»Wir
haben deinen Bericht vernommen. Du bestreitest also weiterhin unverrückbar, in
jener Nacht in Dsôn unterwegs gewesen zu sein, als die Steine auf Robonor
fielen und ihn töteten?« Polòtain saà vor ihm und starrte ihm geradewegs in die
Augen, den Blick voller Wut und Hass.
Sinthoras
hielt ihm stand. Er trug seine Prunkrüstung, um bei der Anhörung möglichst viel
Eindruck zu machen und an seine Vergangenheit als Nostà roi zu erinnern. Eine
Vergangenheit, die in einem halben Splitter der Unendlichkeit erneut Gegenwart
sein würde, davon war er überzeugt. Die Phaiu Su sollen dich
fressen, Polòtain! »Ich habe erzählt, wie ich mit TimÄnris die Nacht in
meinem Malzimmer verbrachte. Möchtest du wissen, was wir alles getan haben â auÃer zu malen? Und wie oft, alter Alb?«
Leises
Lachen erklang. Es rührte von den je vierzig Vertretern der Kometen und Gestirne . Sie bildeten die Anhörungskammer, die
aus den mächtigsten Familien von Dsôn bestand. Entsprechend teuer und aufwendig
war ihre Garderobe. Einzig Polòtain fiel aus diesem Rahmen. Er hatte mit
Bedacht ein weiÃes Gewand gewählt, das einen deutlichen Gegensatz zu Sinthorasâ
schwarzer Prunkrüstung bildete.
Die
Aufgabe des Gremiums bestand darin, bei besonders heiklen Fällen, in die
hochstehende Persönlichkeiten des Albae-Reichs verstrickt waren, eine
Entscheidung zu fällen. Das Herrscherpaar wollte sich mit solcherlei langwierigen
Dingen nicht beschäftigen. Es entschied nur, wer sich einer solchen Anhörung
stellen musste oder wer gleich verurteilt wurde.
Die
Kammer war im westlichen Teil Dsôns zusammengekommen, im Vortempel des
Samusin-Heiligtums, damit der Gott des Ausgleichs seine Augen auf sie richten
und auf sie einwirken konnte, sodass man zu einer gerechten Entscheidung kam. Kometen und Gestirne saÃen sich
auf Bänken gegenüber, vier Schritte voneinander getrennt. Dazwischen standen
Sinthorasâ und Polòtains Stühle sowie ein Tisch mit viel Papier. Sonst durfte
niemand zugegen sein. Die Priester befanden sich im Tempel und beteten für
einen guten Verlauf. Wachen an den Türen sorgten dafür, dass die Kammer
ungestört blieb.
Sinthoras
wollte Polòtain so oft es ging persönlich angreifen, um ihn zu reizen und
wütend zu machen. Er merkte, dass ihn der Ritt der letzten Nacht Kraft gekostet
hatte. Es fiel ihm nicht leicht, seine Gedanken zu ordnen. »Du kannst
behaupten, was du willst: Ich bin nicht schuld am Tod deines
LieblingsgroÃneffen. Möglicherweise war ein loser Stein einfach nur ein loser
Stein.« Er stemmte sich mit den Händen auf die Lehnen des Stuhls und machte
Anstalten, sich zu erheben. »Die Kammer wird mich sicherlich zurück nach Tark
Draan entsenden wollen, wo ich Wichtigeres zu tun habe als hier.« Tatsächlich
stand er bereits halb auf. Frechheit siegt.
»Sicher
wird die Kammer dich entsenden. Die Frage ist nur, wohin? Nach Phondrasôn, so
könnte ich mir vorstellen. Die Verbannung wäre eine Strafe, die ich guthieÃe.«
Polòtain streckte den Arm gegen ihn aus. »Bleib gefälligst sitzen, gefallener
Nostà roi! Du ehrst die Kammer nicht genügend! Es sind die Edelsten des Reiches,
und du tust so, als wären sie gekommen, dich schnellstens von aller Schuld
freizusprechen.« Er drehte den Kopf, lieà den Blick schweifen. »Doch es geht um
die Wahrheit!«
»Jede
Wahrheit, die man sich erzählt, ist lediglich eine Variante von dem, was
wirklich geschah. Befrage zehn Zeugen, und du wirst von einem Ereignis
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