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Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Titel: Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geoff Rodkey
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Dann beruhigt er sich wieder. Es war bestimmt nichts. Er hält große Stücke auf dich.«
    Ich hätte das so gern geglaubt; die Worte allein schürten schon genug Hoffnung in mir, dass ich meinen Marmeladenkuchen aß. An diesem Abend blieb ich lange auf und las in der Bibliothek, während ich auf Pembrokes Rückkehr wartete, um mich davon zu überzeugen, dass sein Zorn vom Nachmittag verraucht war.
    Doch er kam nicht und gegen Mitternacht ging ich schließlich auf mein Zimmer. Ich klammerte mich fest an Millicents Worte. Falls Pembroke wirklich große Stücke auf mich hielt, dann hatte ich es vielleicht doch nicht völlig vergeigt.
    Ich hatte mich gerade ins Bett gelegt, da hörte ich ein leises Klopfen an meiner Tür.
    Es war Mrs Pembroke. Sie trug ein bodenlanges Seidennachthemd und hielt eine Kerze in einem schmiedeeisernen Ständer.
    »Egg … kann ich mit dir reden?« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
    »Ja.«
    Sie setzte sich auf die Bettkante. Da die Kerze in ihrer zitternden Hand flackerte, stellte sie sie auf den Nachttisch.
    Dann streckte sie die Hand aus und strich mir eine Haarsträhne aus den Augen. »Du bist ein sehr lieber Junge und ich halte große Stücke auf dich.«
    Mir stiegen Tränen in die Augen, nicht nur wegen ihrer Worte, sondern auch von der sanften Berührung ihrer Finger auf meiner Stirn. Ihr nächster Satz sorgte allerdings dafür, dass mir all diese Gefühle wie ein Felsbrocken in der Kehle stecken blieben.
    »Aber du musst weg von hier. Sofort.«
    Sie redete weiter, ihre Stimme wurde kalt und scharf. »Hast du außer deinem Vater und deinen Geschwistern irgendwelche Verwandten?«
    »Nein.«
    »Irgendwelche Freunde? Ältere, bei denen du wohnen könntest?«
    »Nein.«
    Sie holte tief Luft und für einen Moment meinte ich Mitleid in ihren Augen zu erkennen. Doch als sie ausatmete, kehrte die Kälte zurück.
    »Dann ist es vermutlich das Beste … du gehst dorthin zurück, wo du hergekommen bist. Ich kümmere mich morgen früh als Erstes darum.«
    Ich öffnete den Mund, weil ich etwas erwidern wollte, doch ich brachte keinen Ton heraus. Genau in diesem Augenblick hallte das schwere Knarren der Haustür von der Eingangshalle zu uns herauf. Mrs Pembroke zuckte zusammen und erhob sich eilig.
    »Es tut mir leid, Egg. Es ist das Beste für dich.«
    Sie schloss die Tür hinter sich, hastig und wortlos, und erst nach einer Weile – als die Bedeutung ihrer Worte sich schwer in meiner Magengrube einnistete –, bemerkte ich, dass sie die Kerze zurückgelassen hatte.
    Ich starrte auf die Flamme, bis sie flackernd erlosch. Danach lag ich in der Dunkelheit und versuchte mit aller Kraft, nichts zu fühlen oder zu denken.
    Am nächsten Morgen erwachte ich wieder durch das Geräusch der Haustür, sie knallte wie ein Donnerschlag. Ich zog mich langsam an – wahrscheinlich würde ich innerhalb einer Stunde für immer weggehen, und auch wenn es vermutlich angemessener gewesen wäre, meine alten, kratzigen Kleider aus Dreckswetter anzuziehen, entschied ich mich für eines der Seidenhemden, die mir die Pembrokes gegeben hatten. Ich wollte ein letztes Mal den feinen Stoff auf meiner Haut spüren.
    Danach schlich ich auf Zehenspitzen zum Frühstück und ließ mir Zeit, die große Freitreppe und die prächtige Eingangshalle in allen Einzelheiten zu bewundern. Als ich ins Speisezimmer trat, saß dort zu meiner Überraschung Roger Pembroke – der um diese Zeit gewöhnlich schon unterwegs war. Er plauderte angeregt mit einem großen, brutal aussehenden Mann auf Millicents Platz.
    Als er mich sah, lächelte Pembroke – sein schönstes, charmantestes Lächeln, das mir sofort wieder das Gefühl gab, etwas Besonderes zu sein; um jeden Preis wollte ich seine Erwartungen erfüllen.
    »Morgen, Egg. Komm, setz dich zu uns.« Ich nahm Platz. Der brutal aussehende Mann nickte mir zu. Er schien nicht zu den Menschen zu gehören, die lächelten.
    »Millicent und Edith sind ein paar Freunde nördlich von Selighafen besuchen gefahren«, fuhr Pembroke fort. »Ich hielt das für eine günstige Gelegenheit, dich Mr Birch vorzustellen. Einem meiner bewährtesten und fähigsten Geschäftspartner.«
    »Hallo«, sagte ich und ging davon aus, dass Mr Birch mich dann zum Hafen hinuntergeleiten würde. Ob sie wohl von mir erwarteten, dass ich mir selbst ein Boot zurück nach Dreckswetter suchte?
    Birch nickte mir nur zu. Ein Butler stellte das Frühstück vor mich. Pembroke und Birch waren bereits fertig. Ich fing

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