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Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Titel: Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geoff Rodkey
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einen jungen Begründer eines Imperiums –, sondern Bücher, die mich weiterbrachten, wie Briefe an einen jungen Geschäftsmann oder Umgangsformen des Mannes von Welt , die ich in Pembrokes Bibliothek gesehen hatte. Ich würde sie auswendig lernen und mich Wort für Wort daran halten, bis ich ein Mann war – kein Junge, sondern ein Mann, und zwar von so beeindruckendem Charakter, dass niemand vermuten würde, dass ich nicht auf dem riesigen Anwesen irgendeines rovischen Herzogs aufgewachsen, sondern Sohn eines einfachen Plantagenbesitzers war.
    Ich stellte mir gerade die Villa vor, in der Millicent und ich mit unseren sechs Kindern wohnen würden, da hielt Birch in einer Haarnadelkurve am Rande eines steilen Abgrunds.
    Wir befanden uns kurz vor der Baumgrenze, hier wuchsen die Pflanzen wegen des felsigen Untergrunds immer spärlicher. Birch stieg ab und bedeutete mir, seinem Beispiel zu folgen. Danach band er die Zügel der beiden Pferde an einen knorrigen Ast und ging auf die Felskante zu.
    Ich folgte ihm die zehn Meter zum Rand. Zu unserer Linken erhob sich steil die zerklüftete Wand des Königsbergs. Aus der Entfernung hatte er immer heiter und friedlich ausgesehen, doch aus dieser Nähe wirkte er weitaus dunkler, rauer und bedrohlicher. Der fast senkrechte Felssturz erstreckte sich über einen Kilometer direkt vom Gipfel in die Schlucht unter uns.
    »Schau dir das da unten gut an.« Birch deutete an seinen Stiefeln vorbei in die Tiefe.
    Neben mir wuchs ein Baum so nah am Rand, dass einige Wurzeln über den Felsen hinaus in die Luft ragten. Ich hielt mich an einem Ast fest, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, und spähte über den Rand.
    Dort unten gab es nichts als Felsen, ein paar gewaltige Felsbrocken auf einem Schieferbett. In der Wand am Ende der Schlucht befand sich eine dunkle Öffnung – winzig aus der Entfernung, doch sie mochte einen guten Meter hoch sein und genauso breit. Daneben standen ein von Maultieren gezogener Karren und drei Männer – zwei Soldaten mit Gewehren und ein Mann in Arbeitskleidung. Sie bewachten den Eingang des Lochs.
    »Was ist das?«, fragte ich.
    »Erkundungstrupp. Auf der Suche nach Silber«, erklärte Birch. »Schau dir das weiter an.«
    Ich tat wie geheißen. Kurz darauf trat ein Eingeborener aus der Höhle – er hatte bloß einen zerfetzten Lumpen um die Hüften gebunden und schleppte einen Eimer Erde. Er entleerte den Eimer in einen Trog und verschwand wieder in dem Loch. Der Mann in Arbeitskleidung beugte sich vor, um den Inhalt des Trogs zu untersuchen.
    Während ich sie beobachtete, bemerkte ich aus dem Augenwinkel, dass Birch einen Schritt zurücktrat. Die Bewegung war zwar unauffällig, doch kurz bevor er aus meinem Gesichtsfeld verschwand, ging er leicht in die Knie.
    Ich kannte diese Bewegung. So war Adonis früher immer in die Hocke gegangen, bevor er auf sich auf mich stürzte.
    Ohne nachzudenken, ließ ich mich auf die Knie fallen und klammerte mich an den Baumstamm; da traf mich auch schon von hinten das volle Gewicht von Birchs Körper. Ich hatte keine Zeit mehr, die Arme fest um den Baum zu schlingen, doch da ich auf den Knien lag, konnte er mich wenigstens nicht im hohen Bogen über den Felsrand stoßen, was meinen sicheren Tod zur Folge gehabt hätte.
    Es brauchte zwei weitere Schläge, bis es ihm gelang, mich über den Rand zu schubsen, doch ich schaffte es, mich im Sturz mit den Fingern in den Baumwurzeln festzukrallen, die über den Felsrand hinausragten. Fast hätte ich den Halt verloren, als ich in der Luft hin und her baumelte, doch der Schwung seines letzten Schlags hätte Birch um Haaresbreite selbst in die Tiefe katapultiert, was mir – während er das Gleichgewicht wieder zu erlangen versuchte – etwas Zeit verschaffte, um mich besser festzuhalten.
    Ich streckte die Beine aus und suchte nach Halt für meine Zehen, doch da war nur Luft – offensichtlich ragte die Kante ein Stück über den Abgrund hinaus.
    Als die Spitzen von Birchs Stiefeln über meinem Kopf auftauchten, zappelte ich verzweifelt mit den Beinen und schwang die Knie hoch, bis ich gegen etwas stieß – nicht breit und flach wie der Klippenrand, sondern wirr und uneben.
    Es waren die Wurzeln des Baums. Nach dem zu urteilen, was ich mit den Beinen fühlen konnte, war es ein dickes Geflecht – der Vorsprung der Klippe musste so dünn sein, dass die Wurzeln durch den Boden ins Nichts wuchsen. Als ich anfing, sie mit den Füßen zu erforschen und Halt zu suchen,

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