Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)
auf den Rücken fallen und holte tief Luft, während ich die Schmerzen in meinen Armen und Beinen einzuordnen versuchte. Jeder Zentimeter tat weh, vor allem meine Knie. In meinen Seiten spürte ich ein brennendes Stechen und auch wenn der Schnitt im Unterarm nicht tief war, blutete die Wunde. Ein Ohr brummte, die obere Hälfte, wo Birch mich im Fallen getreten hatte, pochte und brannte.
Ich lag auf dem Vorsprung und konnte mich nicht rühren – es lag nicht an den Schmerzen, sondern an den Gedanken, die mir durch den Kopf gingen.
Birch hat versucht, mich umzubringen.
Auf Befehl von Roger Pembroke.
Roger Pembroke will meinen Tod.
Warum?
Ich hatte keine Ahnung.
Aber das würde ihn nicht davon abhalten, es noch mal zu versuchen.
Ich musste weg von Morgenröte. Schnell.
Ich stand auf und rannte zu den Pferden.
Ich nahm Birchs Pferd, es war größer und schneller, und obwohl ich keine Ahnung hatte, wohin ich reiten sollte, musste ich mich vermutlich lieber sputen.
Dies stellte sich als Fehler heraus. Das Pferd war zu groß und zu schnell, meine Füße reichten nicht bis zu den Steigbügeln, und als das Pferd erst einmal den Berg hinuntergaloppierte, war es nicht mehr aufzuhalten. Um nicht herunterzufallen oder von einem tief hängenden Ast heruntergeschlagen zu werden – das Pferd schien sich nämlich die größte Mühe zu geben, unter möglichst vielen Ästen hindurchzufegen –, musste ich mich flach auf den Pferderücken pressen und mich mit den Händen in der Mähne festkrallen. In dieser Haltung konnte ich allerdings nur mit Schwierigkeiten die Zügel halten.
Ich brüllte »Brrrr!« und »Halt!« und ein paar Wörter, die mir Prügel eingetragen hätten, wenn ich sie je in Dads Nähe benutzt hätte, aber sie halfen auch nichts. Deshalb gab ich nach kurzer Zeit auf, versuchte einfach nur, mich festzuhalten, und überließ dem Pferd die Entscheidung. In der Zwischenzeit zerbrach ich mir den Kopf, was mein eigentliches Ziel war. Und was ich tun würde. Und warum Roger Pembroke mich umbringen wollte.
Gedanken schwirrten wie Fliegen auf einem Kadaver kreuz und quer durch meinen Kopf.
Der Erkundungstrupp hat alles gesehen. Sie werden es erzählen. Sie werden es Pembroke erzählen. Muss mich sputen. Muss von dieser Insel weg.
Aber wie? Die zwei Healy-Piraten, die vor der Küste warten. Nein, das ist Wochen her. Mittlerweile bestimmt zurückgesegelt. Das Ruderboot am Kai. Liegt es immer noch dort? Wie weit komme ich in einem Ruderboot? Zurück nach Dreckswetter?
Weiter unten gabelt sich der Pfad. Muss das Pferd nach rechts kriegen. Links geht’s zur Wolkenvilla. Wo Pembroke wartet.
Er will meinen Tod. Warum? Weil ich mich nicht adoptieren lassen wollte. Warum wünschte er das? Was wollte er von mir? Die Stinkfruchtplantage? Da meine Familie tot ist, gehört sie mir. Wenn ich tot bin … wer erbt sie dann? Er?
BAUM!
Das war knapp. Ast hat mich um Haaresbreite geköpft. Ich könnte schwören, das Pferd hat darauf zugehalten. Auch das Pferd will, dass ich sterbe. Hätte das andere nehmen sollen.
Brauche Hilfe. Aber wer kann mir helfen? Mung. Quint. Stumpy. Vielleicht ein paar andere Feldpiraten. Zu Hause.
Muss irgendwie nach Hause.
Wie? Brauche Hilfe – hier auf Morgenröte. Von wem? Millicent? Nein. Kann nicht in die Wolkenvilla zurück. Außerdem ist sie sowieso nicht da. Wo steckt sie bloß? Mit Mrs Pembroke weggefahren.
Möchte sie, dass ich sterbe?
Nein. Ist egal. Er will es.
Was will er mit einer Stinkfruchtplantage? Nicht die Früchte. Irgendwas, das mit den Eingeborenen zu tun hat.
Deshalb sind wir hergekommen. Dad hat auf der Plantage etwas von den Eingeborenen gefunden.
Und Pembroke will es haben. Dieser König, über den er mich ausgefragt hat – der Feuerkönig. Wie hat Millicent ihn doch gleich genannt? Hut-irgendwas. Angeblich hat er einen Schatz.
Es gibt einen Schatz. Irgendwo auf der Plantage. Er ist –
BAUM!
Scheißgaul … Dieses Pferd will mich umbringen. Sein Besitzer ist tot.
Ich habe seinen Besitzer umgebracht.
Nein, ich könnte niemals jemanden umbringen.
Hab ich das?
Er hat versucht, mich umzubringen. Wegen des Schatzes. Was hat es damit auf sich? Es stand in den Büchern. In Pembrokes Bibliothek. In den Büchern, an die ich nicht rankam, weil die Leiter verschwunden war.
Er hat die Leiter weggenommen. Er wollte nicht, dass ich diese Bücher lese. Millicent kennt sie. Wollte darüber reden.
Er hat ihr den Mund verboten. Ihr erklärt, der Schatz existiere
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