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Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Titel: Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geoff Rodkey
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sind, wer ist dann gut?«
    Er schwieg wieder eine Weile.
    »Niemand.«
    »Das glaub ich nicht«, sagte ich.
    »Wenn du jemand findest, der gut ist, sag Bescheid. Würd ich gern kennenlernen.«
    »Du bist ein Depp.«
    »Scheint so. Sieht man schon daran, wem ich hinterherlaufe. Was mach’n wir jetzt?«
    Ich brütete eine Weile über unsere Lage. Wir brauchten nicht nur Kleider. Wir brauchten Essen und Wasser und ich hatte keine Ahnung, wie wir in Selighafen mitten in der Nacht und ohne Geld irgendetwas davon auftreiben sollten, mal ganz davon abgesehen, dass ich wegen Mordes gesucht wurde. Und da waren die ganzen kläffenden Hunde noch nicht eingerechnet und die Männer, die jetzt nach zwei Einbrechern Ausschau hielten.
    Allerdings gab es einen Ort auf Morgenröte, bei dem ich selbst im Dunkeln ganz genau wusste, wo ich alles finden würde – der Ort, wo niemand nachts die Türen abschloss und wo die Hunde in einem Zwinger abseits des Haupthauses gehalten wurden, weil Mrs Pembroke sonst niesen musste.
    Dass ich in die Wolkenvilla einbrechen würde, wäre das Letzte, was Roger Pembroke von mir erwartete. Hoffte ich jedenfalls.
    Ich erzählte Guts von meiner Idee. Er schnaubte kurz und angewidert.
    »Was?«
    »Warum ham wir’s nich gleich so gemacht? Als ich’s vorgeschlagen hab?«
    »Ist doch egal«, sagte ich und machte mich zur Wolkenvilla auf.
    Guts blieb mit verschränkten Armen stehen. »Find ich nich«, sagte er.
    »Was soll ich deiner Meinung nach tun?«
    »Sagen, dass es meine Idee war.«
    »Es war deine Idee! Zufrieden?«
    Er folgte mir. »Murkste ihn ab, wenn wir dort sind?«
    Bei dem Gedanken drehte sich mir leicht der Magen um. »Mal sehen.«
    Wir liefen den Hügel zur Uferstraße hinauf, was mühselig und schmerzhaft war. Die stacheligen Büsche, die am Fuße des Hügels dicht wucherten, hinterließen auf unseren Armen und Beinen kleine Kratzer und Schnitte. Doch sobald wir auf der Straße waren, kamen wir trotz der Steigung gut voran. Kurz vor dem Wachhäuschen, wo die Straße von der Küste abzweigte, schlugen wir uns wieder in den Wald, der dort jedoch lichter wurde, und nach kurzer Zeit kehrten wir auf die Nebenstraße zur Wolkenvilla zurück.
    Den ganzen Weg dachte ich an Millicent. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war sie zu Hause, und ebenso wahrscheinlich schlief sie. Was dachte sie jetzt von mir? Dass ich ein Mörder war? Würde sie Angst vor mir haben? Oder wäre ich gefährlicher und faszinierender für sie, weil ich gesucht wurde? So wie bei den Banditen in den Büchern, deretwegen Frauen in Ohnmacht fielen?
    Sollte ich sie aufwecken?
    Nein. Das wäre ein zu großes Risiko. Und überhaupt hatte ich nur Unterhosen an, was es ziemlich unmöglich machte, gefährlich und faszinierend auszusehen.
    Vielleicht könnte ich, nachdem ich die Kleider geholt hatte, die hoffentlich noch immer in meinem ehemaligen Zimmer im ersten Stock lagen, in ihr Zimmer schlüpfen und sie bloß für einen Moment ansehen …
    Oder ihr eine Nachricht schreiben und sie neben ihr Kissen legen …
    Nein. Dafür brauchte ich Pergament und Tinte, die ich aus Pembrokes Arbeitszimmer holen müsste, und das würde zu lange dauern. Aber vielleicht konnte ich ihr ja irgendetwas zurücklassen, eine Art Zeichen, damit sie wusste, dass ich in ihrem Zimmer gewesen war und an sie gedacht hatte. Zum Beispiel eine Ausgabe von Basingstroke , unserem Lieblingsbuch, die ich aus der Bibliothek unten holen könnte …
    Das war zwar alles totaler Quatsch, aber darüber zu fantasieren lenkte mich von dem ab, was passieren würde, wenn ich ihrem Vater über den Weg liefe. Sobald ich aufhörte, an sie zu denken, würde ich endgültig den Mut verlieren.
    Ich dachte immer noch an Millicent, als wir die große Rasenfläche erreichten und Guts zum ersten Mal den Umriss der Wolkenvilla vor dem mondhellen Himmel sah.
    Er brauchte eine Weile, bis er darüber hinweg war, dass in diesem gewaltigen Schloss eine dreiköpfige Familie lebte.
    »Ham die da auch Pferde mit drin? Ställe und so?«
    »Nein. Da wohnen nur die Pembrokes.«
    »Auch keine Kühe? Nur sie? In dem Riesending?«
    »So leben reiche Leute. Bist du so weit?«
    »Moment.« Während ich ihn beobachtete, wie er mit offenem Mund die Villa anstarrte, wurde mir bewusst, wie klein und schrecklich sein Leben gewesen sein musste. Vor einem Monat hatte ich auch noch kein Anwesen wie die Wolkenvilla gesehen, aber ich hatte wenigstens genug Bücher gelesen, um zu wissen, dass es so

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