Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)
errichteten die Cartagier einen Hinterhalt auf Morgenröte. Sie nahmen die Kanonen von ihren Schiffen und postierten sie auf den Hafenklippen, wo heute die Festungen stehen. Die Okalu segelten heran. Und da sie vermutlich dachten, sie wären von den Donnergöttern beinahe ausgelöscht worden, weil sie sich Ka gegenüber nicht großzügig genug gezeigt hatten, brachten sie ihren Schatz als Mitgift für die Prinzessin mit – sämtliches Gold und alle Juwelen, die der Stamm besaß. In dem Moment, als sie an Land gingen, eröffneten die Cartagier das Feuer und metzelten sie alle nieder. Und das war das Ende der Okalu.
Doch die Cartagier fanden die Mitgift nie. Sie verschwand, ebenso wie die Prinzessin und der Feuerkönig und die Faust des Ka, die ihm angeblich seine Macht verlieh. Die Legende besagt, dass sie im Inneren des Königsbergs verschwanden. Und dass eines Tages der Feuerkönig mit einer neuen Prinzessin zurückkehren und den Schatz erneut als ihre Mitgift anbieten wird. Ka wird seinen Segen geben und die Okalu werden sich wieder erheben.
Das ist die Legende. Und deshalb muss sich der Schatz des Feuerkönigs, falls es ihn tatsächlich gibt, irgendwo auf Morgenröte befinden.«
Das waren viele Informationen. Und ich wusste nicht, was davon Wirklichkeit und was Legende war. So wie es klang, schien es niemand zu wissen.
»Ich weiß nur«, sagte ich, »dass es irgendetwas auf Dreckswetter gibt. Und es stammt von den Eingeborenen. Und es war wichtig genug, dass mein Dad nach Morgenröte gereist ist und jemanden gesucht hat, der ihm helfen könnte, das Rätsel zu lösen.«
»Es könnte alles Mögliche sein«, sagte sie. »Aber ich würde nicht davon ausgehen, dass es irgendein Riesenschatz ist. Schon gar nicht der des Feuerkönigs.«
Ich wusste nicht, was ich denken sollte. »Irgendwann finden wir es raus.«
»Irgendwann.« Sie streckte die Beine quer übers Deck aus, lehnte sich gegen den Sitz und sah mich mit schräg gelegtem Kopf an. Wäre die Ruderpinne nicht zwischen uns gewesen, hätte sie vielleicht den Kopf an meine Schulter geschmiegt.
»Ich hab dich vermisst, Egg«, sagte sie.
Sie hat mich vermisst. Mein Herz machte einen Luftsprung.
»Ich hab dich auch vermisst.« Ich drehte mich zu ihr, öffnete den Mund, um ihr mein Innerstes zu Füßen zu legen, um ihr zu sagen, wie sehr ich sie liebte. Doch bevor ich die Worte aussprechen konnte, sah sie mich an, grinste und zog die Nase kraus.
»Allein mit Daddy und Mutter ist es echt nicht lustig.«
Nicht lustig?
Ich plumpste wieder auf die Erde und ließ mich in meinem Sitz zurückfallen. Ich hatte genug Bücher über Paare gelesen, deren Liebe unter einem schlechten Stern stand, und Verbindungen, die dem Untergang geweiht waren, um zu wissen, dass, wenn der Angebetete des Mordes beschuldigt wird und fliehen muss, die Geliebte auf sehr unterschiedliche Weise reagieren kann. Untröstliches Weinen, selbstmörderische Hysterie, gewalttätige Wut – sogar wortloses Brüten ist in Ordnung, solange sie unter dem Schweigen einen Plan verfolgt.
Aber zu sagen, es sei »nicht lustig«?
Da hätte sie mich ebenso gut überhaupt nicht zu vermissen brauchen.
Ich verschränkte die Arme und versank in grimmiges Schmollen. Doch sie bemerkte es nicht mal. Sie starrte zu den immer schwächer leuchtenden Sternen hinauf.
»Mutter möchte mich wegschicken. Auf irgendein Internat auf dem Kontinent. Sie glaubt, dass aus mir nie eine richtige Dame wird, wenn ich auf der Insel bleibe.«
Gut. Geh doch. Wirst schon sehen, ob es mir was ausmacht.
»Aber das wird Daddy niemals zulassen. Er braucht mich zu sehr. Hat bei weitem nicht genug nüchterne Berater. Das ganze Desaster mit der Irdischen Freude hat deutlich gezeigt –«
In Anbetracht all dessen, was passiert war, zeigte sich vor allem deutlich, dass Millicent nicht mal annähernd die Vertraute für Roger Pembroke war, für die sie sich hielt. Doch die Worte purzelten so schnell aus ihr heraus, dass ich bloß den Kopf schütteln und die Augen verdrehen konnte.
»– auch wenn es Daddy seltsam aufregend zu finden scheint, als könne man einen Vorteil daraus ziehen. Was ich überhaupt nicht begreifen kann! Mal ehrlich, die besten Familien Roviens sind bis aufs Hemd ausgeraubt worden, bis auf die Unterwäsche entblößt, zu Tode erschreckt und auf dem Meer ausgesetzt. Was in aller Welt soll man daraus Gutes ziehen? Doch Daddy denkt, dass sich das im Hinblick auf die Cartagier und Neuen Länder irgendwie nutzen
Weitere Kostenlose Bücher