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Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Titel: Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geoff Rodkey
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mir.
    Es war Millicent, die sich wie ein verängstigtes Kind an meine Brust kuschelte. Als ich die Arme um sie legte, sah ich Guts. Sein Hals und sein Kragen waren rot vor Blut; offenbar hatte er seinen eigenen Kampf mit Pelikan ausgefochten.
    Wiesel lag noch immer bewusstlos ein paar Schritte von uns entfernt, doch Ziegel und Pelikan standen mittlerweile zwei anderen Männern gegenüber: dem Habicht, der uns vorhin befragt hatte, und einem Bären von Mann mit einem Healy-Zeichen auf dem Hals. Ein Sturm wütender gegenseitiger Anschuldigungen wirbelte durch die Luft, und Pelikan schwenkte sein Messer auf eine Art und Weise, die andeutete, dass er es einzusetzen gedachte.
    Plötzlich war ein Schuss zu hören. Das Geschrei verstummte.
    Alle drehten sich zu einem Mann um, der langsam in der frühmorgendlichen Dämmerung auf uns zuschlenderte. Er hatte breite Schultern und sah gut aus, seine dichten lockigen Haare waren zerzaust. Selbst in diesem Aufzug – er trug einen schweren schwarzen Paletot, der über einem knielangen, weißen Nachthemd offen stand, die nackten Waden steckten in einem Paar abgetragener Stiefel – besaß er eine Aura souveräner Selbstsicherheit. Er hätte nackt mit einer Kinderrassel in der Hand auf uns zukommen können, es hätte trotzdem nicht der geringste Zweifel daran bestanden, wer hier der Chef war.
    In diesem Augenblick hielt er allerdings eine qualmende Pistole in der Hand.
    Burn Healy blieb vor uns stehen – ich hatte ihn früher schon mal gesehen, in Galgenhafen, allerdings nie aus der Nähe. Während er die Gruppe musterte, kratzte er sich nachdenklich mit dem Lauf seiner Pistole die stoppelige Wange.
    »Ich wurde gerade geweckt«, sagte er. »Und ich frage mich, warum.«
    Keiner antwortete.
    Er sah auf uns herunter – Millicent, Guts und mich, die wir auf dem Deck saßen. Ein paar Meter von uns entfernt stöhnte Wiesel leise und hielt sich den Schädel.
    »Spiggs, wer sind diese Kinder?«
    »Sie trieben in einer Nussschale auf dem Wasser«, sagte der Mann mit den Habichtaugen. »Wir haben es backbord im Schlepptau. Hab Mike angewiesen, sie bis zum Morgen im Auge zu behalten.«
    »Kann ja nicht so schwer sein.« Healy sah Ziegel an, der wie ein wütender Schuljunge den Kopf hängen ließ.
    »Nix vorgefallen, Cap«, murmelte er.
    Healy schob seine Pistole ins Halfter und kniete sich vor mich und Millicent, die noch immer zitternd in meinem Arm lag.
    »Alles in Ordnung mit dir, junge Dame?«
    Sie hob den Kopf von meiner Brust, um ihm in die Augen zu sehen, die sie besorgt musterten.
    »Jetzt ja, Sir«, sagte Millicent mit zittriger Stimme.
    »Was ist passiert?«
    »Er wollte mir Gewalt antun.« Sie deutete mit einem Kopfnicken in Ziegels Richtung.
    Healy erhob sich. »Was hast du dazu zu sagen, Mike?«
    »Wollt ihr nix Böses, Cap.« Ziegel brachte ein Lächeln zu Stande, doch es war kein lachendes Lächeln. Sondern ein nervöses.
    Healy ging ein paar Schritte auf ihn zu. Ziegel wich zurück.
    »Wie lange bist du jetzt bei uns? Drei Wochen? Einen Monat?«
    »So was in der Richtung.« Healy trieb ihn so lange rückwärts, bis Ziegel gegen die Reling prallte und stehen bleiben musste.
    »Lang genug, um den Ehrenkodex zu kennen. Und wie lautet der?« Healy baute sich vor ihm auf, ihre Gesichter waren nur eine Handbreit voneinander entfernt. Ziegel war zwar einige Zentimeter größer und mindestens fünfzig Pfund schwerer als Healy, doch unter dem eindringlichen Starren des Kapitäns schien er zu schrumpfen.
    »Jeder ist sein eigener Herr.« Ziegels Stimme war so leise, dass ich ihn kaum hören konnte.
    »Leider nicht die entscheidende Stelle.«
    Ohne den Blick von Ziegel abzuwenden, rief Healy über die Schulter: »Spiggs! Was sagt der Kodex über Kinder?«
    »Sie müssen in jeder Hinsicht mit Barmherzigkeit behandelt werden«, antwortete Spiggs.
    »In jeder Hinsicht«, wiederholte Healy.
    »Sind doch keine Kinder mehr, die da – schautse euch doch an! Die Rotzbengel sind vielleicht noch halbe Kinder, aber das Mädchen is so gut wie –«
    »Spiggs?«, rief Healy wieder und fiel Ziegel ins Wort. »Sind das Kinder?«
    »Sieht mir sehr danach aus, Sir.«
    »Da muss ich beipflichten.« Healys Stimme war zwar freundlich, aber von der Stelle, an der ich saß, konnte ich sein Gesicht nicht erkennen. Doch da Ziegel erbleichte und seine Stimme einen flehentlichen Ton annahm, muss in Healys Blick etwas Furchterregendes gelegen haben.
    »Wollte nur ’n bisschen Spaß haben, Käpt’n. Nix

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