Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)
weiter.«
Healy nickte. »Das kann ich verstehen. Na ja, die Tage sind lang und die Arbeit hart. Und Spaß ist Spaß …«
»Jawoll!« Ziegel nickte ebenfalls, in seinen ängstlichen Blick schlich sich etwas Hoffnung.
»Aber Regeln sind Regeln.«
Mit einer schnellen, brutalen Bewegung hob Healy den größeren Mann hoch und warf ihn über Bord.
Er machte auf dem Absatz kehrt, so schnell, dass er nur noch zwei Schritte von uns entfernt war, als wir das Platschen hörten.
Wiesel hatte sich zwischenzeitlich aufgerappelt, und sowohl er als auch Pelikan waren kreidebleich vor Angst. Healy würdigte sie kaum eines Blickes.
»Geht nach unten und schrubbt die Decks, bis man euch befiehlt aufzuhören.«
Sie waren auf und davon, bevor er nur den Satz beendet hatte.
Danach wandte sich Healy an uns. »Bitte, Kinder, steht auf.«
Wir gehorchten. Er sah uns einen nach dem anderen an, sein Blick war grimmig vor Besorgnis.
»Ich entschuldige mich für die Behandlung, die euch widerfahren ist. Es wird nicht wieder vorkommen.«
Mich traf sein Blick als Letztes, er wollte schon weiterwandern, kehrte dann aber wieder zu mir zurück. Er kniff leicht die Augen zusammen, als würde er erst in diesem Moment mein Gesicht erkennen.
»Wo wollt ihr hin?«
Ich bekam Angst und einen Augenblick überlegte ich, ihn anzulügen.
»Nach Dreckswetter«, antwortete ich.
Er wandte sich zu Spiggs.
»Setz Kurs auf Dreckswetter. Muss sowieso Ersatz für die drei Ganoven finden. Die beiden sind gefeuert, ohne dass sie ihren Anteil bekommen. Wenn sie sich beschweren, jag ihnen eine Kugel in den Kopf.«
»Jawohl, Sir.«
»Und sorge dafür, dass es diesen Kindern gut geht. Kümmere dich darum, dass die Wunde des Jungen gesäubert wird«, sagte er und deutete auf den Schnitt in Guts’ Hals. »Und zieh dem Mädchen um Himmels willen was anderes an als ein Nachthemd.«
»Wird sofort erledigt.«
Ich fing schon an zu glauben, dass sein zweiter Blick auf mich doch nichts zu bedeuten hatte, da wandte sich Healy wieder mir zu.
»Du bist der Sohn von Hoke Masterson, stimmt’s?«
Den Namen meines Vaters zu hören, war so überraschend, dass ich einen Augenblick brauchte, bis ich die Frage kapierte. Schließlich nickte ich.
»Komm mit.«
Er drehte sich um und ging mit großen Schritten zum Achterdeck. Ich sah zu Millicent und Guts. Sie waren genauso verdattert wie ich.
Ich folgte Healy. Ich hatte ja keine andere Wahl.
Seine Kabine war sauber und komfortabel, allerdings ohne die kostbaren Möbel und Samtkissen, die ich auf der Irdischen Freude gesehen hatte.
Er zündete zwei Laternen an und bedeutete mir, mich an einen viereckigen Tisch auf einen Holzstuhl mit gerader Rückenlehne zu setzen. Ich tat wie geheißen und starrte über den Tisch hinweg zu einem Schreibtisch an der gegenüberliegenden Wand, während Healy hinter mir Richtung Bett verschwand. Als er zurückkam, war er vollständig angezogen. Er setzte sich mir gegenüber an den Tisch.
»Ich weiß vom Schicksal deines Vaters. Mein Beileid.«
»Danke«, sagte ich, nicht sicher, wie man auf so etwas reagierte, und fragte mich, wie er von der Sache mit meinem Vater gehört haben konnte.
»Dann also …« Er lehnte sich zurück, streckte sich auf seinem Stuhl aus und gähnte. Anschließend musterte er mich eindringlich. Er hatte leuchtend blaue Augen mit grauen Sprenkeln, und obwohl das Weiße von Äderchen durchzogen und die Lider vom Schlaf geschwollen waren, schien er direkt in mich hineinzublicken.
Ich konnte verstehen, warum es bei Ziegel so ausgesehen hatte, als wäre er unter Healys Blick geschrumpft.
»Ein komischer Zufall will es, dass ich gerade von einem Treffen mit einem sehr mächtigen Mann zurückkomme und dass dabei dein Name fiel.«
Während mein Herz vor Angst zu pochen begann, griff er hinter sich und zog ein Blatt steifes Papier von seinem Schreibtisch. Er musterte es stirnrunzelnd.
»Weißt du, worum mich dieser Mann gebeten hat? Falls ich dir begegne?«
Er schob mir das Blatt über den Tisch hinweg zu. Ich brauchte es nicht anzusehen, um zu wissen, worum es sich handelte.
»Er hat mich gebeten, dich zu töten.«
Ich wusste nicht, wo ich hinsehen sollte – auf das Fahndungsplakat, von dem mich mein Gesicht anschaute, oder zu dem Piratenkapitän, der mich von der anderen Seite des Tisches anstarrte.
Ich entschied mich für meine Hände. Ob ich ihn wohl bitten konnte, mich zu erschießen, statt mich über Bord zu werfen? Auf diese Weise wäre es schneller
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