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Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Titel: Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geoff Rodkey
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nur blöd! Es ist immer noch Zeit, von hier wegzugehen.«
    »Verdammte Sch–?!« Als ich mich umdrehte, sah ich Guts mit einem lauten Fluch und einem angewiderten Zucken den Arm aus dem Kanonenrohr ziehen. Er drehte den Kopf und brüllte zu mir herüber. »Dachte, dein Dad hatse geputzt!«
    »Hat er auch.«
    »Von wegen! Hier drin ham sich Ratten eingenistet. Schau –« Er schob sein Messer tief in das Rohr, kratzte herum und brachte einen verfilzten Klumpen aus Dreck, Stroh und Tierhaaren zum Vorschein.
    »Er muss den Schatz gefunden haben, bevor er an der Kanone war«, sagte ich.
    Guts schnaubte. »Schau dir die Kötel an. Staubtrocken.«
    »Und?«
    »Die hat seit Jahren keiner sauber gemacht.«
    »Das ist unmöglich«, erwiderte ich. »Mein Vater hat sie ständig gewienert.«
    »Haste mal dabei zugeschaut?«, fragte Guts.
    »Nein. Er ist immer allein gegangen. Hat sich Bürste und Eimer geschnappt und ist den Hügel hochgelaufen …«
    Mir versagte die Stimme. Wir drei starrten uns an, allen ging gleichzeitig ein Licht auf.
    »Warum sonst hätte er den Hügel hochlaufen sollen?«
    Die Antwort kam so schnell, dass ich nicht fassen konnte, warum mir das nicht früher eingefallen war. Ich lief los.
    »Kommt mit«, sagte ich. »Und beeilt euch. Die Sonne geht bald unter und es liegt auf der anderen Seite des Berges.«
    »Was denn?«
    »Das Grab meiner Mutter.«

Ich führte Millicent und Guts den Berg hinauf, ungefähr einen Kilometer am Felsen des Verderbens vorbei zu einer breiten mit Moos und Gestrüpp bedeckten Fläche, die den Waldrand vom schwarzen Geröll der Lavafelder trennte. Von dort bogen wir ab und liefen um die Westseite des Vulkans zur einzigen Wildblumenwiese der ganzen Insel.
    Meine Mutter war mitten auf der Wiese begraben. Dad nahm uns zweimal im Jahr dorthin mit, damit wir ihrer gedachten, jetzt wurde mir allerdings klar, dass er viel öfters allein dorthin gegangen sein musste. Warum sonst sah das Grab immer sauber und unberührt aus, obwohl der umgebende Hang sich bei jedem neuen Erdbeben oder jedem spritzenden Lavahusten wölbte oder aufbrach? Das einsame Holzkreuz stand kerzengerade oben auf einer niedrigen rechteckigen Einfassung aus weißen Steinen. Als wir dort ankamen, berührte die Sonne schon fast den Horizont. Ich stand mit dem Rücken zur Sonne vor dem Grab und sah mich um. Über uns erstreckte sich die lange Lavaspur, eine trostlose Fläche aus rauem schwarzem Stein, die sich zum Vulkanschlot hin verjüngte. Ein paar dünne Rauchfäden stiegen aus dem Krater zum Himmel auf.
    Es sah genauso aus wie immer, eine farblose Ödnis … bis auf eine Stelle, ungefähr hundert Meter rechts oberhalb des Grabes, wo ein Felsabschnitt abgebrochen war und ein scharfkantiges Flöz beinahe weißen Granits freigelegt hatte, das wie eine Messerklinge ungefähr zwei Meter aus der Erde ragte. Auch wenn ich es noch nie zuvor bemerkt hatte, musste es schon immer dort gewesen sein, unter einer erstarrten Schicht schwarzer Lava begraben und wieder zum Vorschein gekommen, nachdem irgendein kleineres Erdbeben seine Tarnung locker gerüttelt hatte.
    Ich ging darauf zu, Millicent und Guts folgten. Als wir uns von der Seite näherten, wurde eine Öffnung sichtbar. In der Mitte der Granitoberfläche war eine Spalte von ungefähr einem halben Meter. Die Sonne traf in einem Winkel auf, dass man den Eingang zu einer Höhle erkennen konnte.
    Guts versetzte mir einen Stoß. »Du zuerst.«
    Ich quetschte mich seitlich durch die Öffnung und stellte mich, sobald ich drinnen war, an eine Wand, damit die anderen hinterherkommen konnten.
    Wir standen in einer großen Kammer mit niedriger Decke. Sie war ungefähr sieben Meter breit, halb so lang und nicht ganz hoch genug, um darin aufrecht zu stehen.
    Zuerst wirkte sie völlig kahl. Doch sobald sich meine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, bemerkte ich Zeichnungen an der gegenüberliegenden Wand – Dutzende kleiner viereckiger Figuren, die mit dunkler Farbe auf den glatten weißen Granit gemalt waren. Sie waren in zwei großen Gruppen in langen, geraden Reihen angeordnet, dazwischen befand sich eine Ansammlung beliebig aussehender verschnörkelter Linien und Zeichen.
    Jede der kleinen viereckigen Figuren war ungefähr faustgroß, ein Fleck von Wellenlinien in Rechtecken, die geometrische Muster bildeten … Nein, es waren Hieroglyphen, eine Bildsprache – ein Vogel, ein Speer, ein Auge … ein Gesicht mit langen Haaren und Linien, die strahlenförmig aus dem

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