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Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition)

Titel: Die Legenden der Blauen Meere, Band 1: Dreckswetter und Morgenröte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geoff Rodkey
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immer nicht sagen, woran ich bei ihr war. Und ich wollte es nicht vermasseln, indem ich mich zu weit vorwagte und mich zum Trottel machte.
    Guts runzelte die Stirn. »Pass auf mit der. Das is ’ne Hexe.«
    »Halt die Klappe«, sagte ich.
    Millicent kam zurück, sie sah fröhlich aus und ihr Gesicht war feucht.
    »Besitzt deine Schwester irgendwelche Kleider, die ich anziehen könnte? Dieses Nachthemd wird allmählich peinlich.«
    »Ja. Oben in ihrem Zimmer.«
    »Brot ist fertig«, erklärte Quint und wuchtete ein heißes Eisenblech auf die Arbeitsfläche. Seine Frühstücksfladen waren wie immer – fünf Minuten lang zäh und danach steinhart.
    »Sollten diese Zwölfpfünder-Kanone von der Klippe holen«, sagte Guts mit vollem Mund. »Hab mir überlegt – wenn wir se auf der Veranda aufbauen, ham wir freie Schusslinie die Straße runter. Außerdem können wir sie schnell drehen, falls sie von zwei Seiten angreifen.«
    Millicent sah mich an. »Ist das wirklich nötig?«
    »Das machen wir später«, entschied ich. »Jetzt suchen wir erst mal den Schatz.«
    Doch wir konnten ihn nicht finden. Ich wanderte den ganzen Morgen und den halben Nachmittag mit Guts und Millicent den Hügel ab und probierte jede vorstellbare Route zwischen dem Felsen des Verderbens und dem Haus, zermarterte mir das Hirn nach irgendeinem Hinweis, was mein Vater an jenem Morgen gedacht oder getan haben könnte, das ihn schließlich zu einem verborgenen Schatz geführt hatte.
    Am Ende lieferten meine ganzen Anstrengungen gerade mal die Erkenntnis, dass ich wirklich nicht viel über meinen Vater wusste.
    Tja, ich wusste die offensichtlichen Dinge. Dass er zum Beispiel nie lächelte. Und kein Gemüse aß.
    Er mochte Schwein lieber als Hühnchen.
    Er schlug uns Kinder, wenn wir uns nicht an die Regeln hielten, auch wenn er mich, obwohl ich seltener dagegen verstieß, letztendlich öfters verhauen hatte als Venus oder Adonis.
    Er hielt nichts von irgendwelchem Gerede über Religion oder den Heiland – doch manchmal, wenn er sich unbeobachtet glaubte, betete er auf den Knien, die Hände auf dem Bett gefaltet.
    Wenn Rum im Haus war, trank er ihn. Und anschließend sang er sich selbst mit leiser, melancholischer Stimme etwas vor.
    Doch die wichtigen Dinge waren ein völliges Rätsel – was in seinem Kopf vor sich ging, was er über sein Leben dachte oder über uns, die wir mit ihm lebten. Selbst die Plantage … Er opferte sein ganzes Leben dafür, schuftete sich von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang krumm und bucklig, doch ob er es aus Überzeugung tat oder ob es einfach eine Methode war, Essen auf den Tisch zu bekommen, die er von einem Augenblick auf den anderen aufgegeben hätte, wenn sich ein einfacherer Weg aufgetan hätte … davon hatte ich keine Ahnung. Die hatte keiner.
    Die einzige Sache, an der ich keinerlei Zweifel hatte, war, dass er niemandem traute, absolut niemandem. Doch andererseits war er losgefahren und in Roger Pembrokes Ballon gestiegen, obwohl er den Mann gerade erst kennengelernt hatte. Also lag ich vermutlich auch damit falsch.
    Während sich die Stunden dahinschleppten und wir in den umgebuddelten Obstfeldern hin und her liefen, wurde ich immer frustrierter, dann wütend und schließlich völlig leer und verzweifelt.
    Vielleicht gab es doch keinen Schatz. Vielleicht würden wir alle für ein paar Morgen mit Stinkfruchtbäumen und einigen Erdhaufen niedergemetzelt werden.
    Vielleicht sollten wir Millicents Vorschlag folgen und fliehen.
    Doch es gab keinen Ort, an den wir fliehen konnten. Wenn wir auf Dreckswetter blieben, würden sie Jagd auf uns machen. Wenn wir uns in Millicents Segelboot davonmachten, würden wir uns bloß auf dem Meer verirren. Und falls wir irgendwie ein Schiff auftreiben konnten und davonsegelten, bevor die Soldaten zurückkehrten – konnten sie trotzdem Jagd auf uns machen. Und überhaupt, wie konnte ich Millicent auf dem Meer beschützen? Was auf der Grift geschehen war, würde wieder passieren, bloß wäre dann kein Burn Healy da, um einzugreifen.
    Fliehen konnten wir also nicht.
    Aber wir konnten auch nicht bleiben, denn Millicent hatte Recht – es war unmöglich, sie zu schlagen. Nicht mit sechs Gewehren und einer Kanone.
    Wir waren so oder so dem Verderben geweiht, aber da ich keine Ahnung hatte, was ich sonst tun sollte, wanderte ich – noch lange, nachdem ich ihn innerlich abgeschrieben hatte – einfach über den Hügel und hielt nach dem Schatz Ausschau.
    Als Guts schließlich

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