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Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege

Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege

Titel: Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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ein, dass Mercuun die Lage richtig darstellte, und ihm war klar, dass die Rituale abgehalten
werden mussten. Ihm wurde kalt, und in ihm entstanden Bilder von der Entweihung, die in nur wenigen Tagen Aryndeneth besudeln konnte.
    »Achtzig werden in zwanzig Tagen zum Angriff bereit sein.«
    »Zwanzig Tage!« Rebraals Aufschrei jagte Vögel in die Flucht, und im Unterholz brachten sich Tiere vor der vermeintlichen Gefahr in Sicherheit. »Bei Gyals Tränen, das ist zu lange!«
    Er blieb stehen und lehnte sich an den rauen Stamm eines Feigenbaums, der von Würgelianen angegriffen wurde und fast schon überwältigt war. Irgendwann würden die Ranken den Baum töten. Zehn Tage, das hätte er verstanden und die Verzögerung vielleicht als unvermeidlich hingenommen, aber dies …
    »Bitte, Rebraal. Die Al-Arynaar bewegen sich so schnell sie können. Wir sind aber nicht mehr die Streitmacht, die es zu Zeiten unserer Vorväter einmal gab. Wir haben nicht mehr viele Magier, und ohne deren Unterstützung können wir nicht angreifen.«
    »Aber in zwanzig Tagen ist vielleicht schon alles verloren. In vierzehn Tagen öffnet sich Yniss’ Zelle. Was, wenn sie auf seine Schriften aus sind? Stell dir nur vor, welchen Preis wir dafür zahlen müssten. Sie sind keine Schatzsucher, es sind zu viele. Sie suchen etwas, von dem sie glauben, es sei im Innern des Tempels.«
    Rebraal ging rasch weiter, und seine Augen durchbohrten die Dunkelheit so gut wie die eines Panthers. Er ignorierte die Schmerzen, die ihn bei jedem Schritt durchzuckten, und betete zu Beeth, dem Gott der Wurzeln und Zweige, dass er nicht strauchelte.
    »Wir können nicht so lange warten, Meru. Wir müssen Leute aus dem Dorf holen. Ich weiß, sie sind keine wahren
Gläubigen, aber wir haben bereits gefehlt, denn sonst hätten uns die Fremden nicht finden können.«
    Er hatte erwartet, dass Mercuun sich freute, weil er nun auf die Hilfe ihres Geburtsortes zurückgreifen wollte, wo seine Familie fast wie Ausgestoßene behandelt wurde, weil die Leute nicht mehr dem folgten, was man allgemein als die veraltete Lebensart betrachtete. Natürlich glaubte jeder Elf auf Calaius an die Harmonie und an die höchste Gottheit Yniss, aber sie glaubten nicht fest genug an die Heiligkeit von Aryndeneth, um die Quote zu erfüllen und jedes fünfte Kind im Dorf zu den Al-Arynaar zu geben.
    Sie sahen nicht, welche Ehre dadurch ihren Familien zuteil wurde, und sie wussten auch nicht, wie wichtig es war, die Stärke des Ordens zu erhalten. Rebraal schauderte bei dem Gedanken, dass die Fremden den Stein des Tempels beschädigen konnten. Wenn sie stark genug waren, dann war es möglich. Der Diebstahl der Schriften irgendeines Gottes war schon schlimm genug, aber das Gleichgewicht von Aryndeneth musste unbedingt erhalten bleiben.
    Mercuun sagte jedoch kein Wort. Rebraal ging langsamer und drehte sich zu seinem Freund um, der zwanzig Schritt hinter ihm auf dem Boden kauerte.
    »Meru?« In Rebraals Kopf pochte es. Er war hungrig und durstig, und der Blutverlust hatte ihn geschwächt.
    Mercuun schaute auf. Sein Gesicht war verkrampft und gequält. Er wollte etwas sagen, konnte aber nur husten. Es war ein krankes Geräusch, das tief aus seiner Brust kam. Rebraal eilte zu ihm.
    »Meru, was ist denn? Eine Schlange? Der Gelbrückenfrosch?«
    Doch es war kein tierisches Gift. Mercuun schüttelte
den Kopf und bat mit erhobener Hand um etwas Geduld. Er kam wieder zu Atem, hustete noch einmal und würgte, dass es seinen ganzen Körper durchschüttelte. Er hob das schweißüberströmte Gesicht und antwortete endlich.
    »Mir ist nicht gut«, quetschte er hervor. Rebraal hielt sich mit Kommentaren zurück. »Als wäre eine Welle von etwas Unsauberem durch mich geströmt. Es hat mir die Lungen verklebt, aber sie sind jetzt wieder frei. Ich fürchtete zu stürzen, ich hatte einen Moment das Gleichgewicht verloren. Es wird schon wieder, mach dir meinetwegen keine Sorgen.«
    »Wir sollten ausruhen. Wir sind beide nicht mehr in der Lage weiterzulaufen. Ich bringe dir Lianen, die du zu einer Hängematte binden kannst, dann hole ich Essen und Wasser. Gib mir deine Häute und Jaqrui.«
    Mercuun wollte protestieren, doch ihm war die Erleichterung deutlich anzusehen. Er nickte nur. »Wir müssen aber noch vor der Dämmerung weitergehen. Ich bin deiner Meinung. Ich glaube, wir haben nicht mehr viel Zeit.«

Zehntes Kapitel
    Die morgendliche Kakophonie von Affen, Vögeln, Insekten, Fröschen und allem anderen, was eine

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