Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege
Gebäude unter der Wucht endgültig in sich zusammen, die Balken knickten ein, und die Nägel wurden quietschend aus den Löchern gezogen. Alles wurde vom Tosen der Flammen übertönt. Männer, hilflos vom Spruch getroffen, überschlugen sich, wurden hochgeschleudert und verkohlten binnen Sekunden.
Die Hitze im Hof nahm weiter zu. Schwerter glühten rot, Steine liefen schwarz an, Balken lösten sich einfach auf, Glas zerfloss. Dachziegel flogen hoch in die Luft, als die Kugel auf ein weiteres Gebäude übergriff und es zerfetzte. Eine große Rauchwolke wallte im überhitzten Wind auf und trug die Schreie der Sterbenden davon wie Spreu in einer Brise. Eine brennende Leiche prallte neben Senese gegen die Wand; der Totenkopf schien ihn flehend anzustarren.
Indesi hatte Recht gehabt. Dies war keine normale Feuerkugel. Dieser Spruch war heißer und hatte mehr Energie; er verzehrte alles, was er berührte, und verbrannte den Boden wie das Feuer der Hölle.
Als die Hitze seinen Körper verdorren ließ, warf Senese einen letzten Blick zu den Xeteskianern, die wartend herumstanden, geschützt unter ihren eigenen Mana-Schilden, die blau glühten und der Feuersbrunst mühelos widerstanden.
»Was habt ihr getan?«, keuchte er.
Dann schlugen die Flammen über ihm zusammen wie ein zorniges Meer.
Fünfzehntes Kapitel
Es war Nacht. Yron stand außerhalb des Rings der Wachfeuer allein auf dem mit Steinen ausgelegten Vorplatz des Tempels. Hinter ihm hielten seine Männer entweder nervös Wache oder ruhten sich so gut wie möglich trotz der zunehmenden Hitze und Feuchtigkeit im Tempel aus. Wahrscheinlich hatte die Atmosphäre dort drinnen gelitten, nachdem die Türen zerstört worden waren, doch Yron vermutete, dass noch mehr dahintersteckte. Es war wie mit der Ausstrahlung des Regenwaldes. Er konnte es nicht genau benennen, wusste jedoch, dass irgendetwas nicht stimmte.
Er hatte den Kreis der Wachfeuer verlassen, um zu lauschen und nachzudenken. Hier draußen konnte er die nächtlichen Geräusche des Waldes hören: das Knurren der Großkatzen, die Rufe der Affen und Vögel, die sich bedroht fühlten, das Summen eines aufgeschreckten Insektenschwarms unter dem Blätterdach. Direkt vor seinen Füßen huschte eine Spinne über den Platz. Sie war so groß wie seine Hand. Er sah ihr nach, anscheinend verfolgte sie eine Beute, die er nicht bemerkt hatte. Vielleicht einen
der unzähligen Frösche, die ringsherum krächzten, oder eine der Zikaden, die paarungswillige Partner anlocken wollten.
Yron war verunsichert, und das war ein Zustand, mit dem er gänzlich unvertraut war. Der Läufer, den er am vergangenen Tag zum Basislager geschickt hatte, war noch nicht zurückgekehrt, und dies machte ihm Sorgen. Er wusste, dass er zwei Männer hätte schicken müssen, doch Pavol war sehr gut in Form und wollte sehen, ob er es schaffte, den ganzen Weg im Laufschritt zurückzulegen. Yron hatte diesen Unternehmungsgeist begrüßt und ihn mit Wasserschläuchen bepackt in der Dämmerung losgeschickt.
Jetzt wartete er, dass der Läufer zurückkehrte und Meldung machte. Gefahr war im Anzug, und er sorgte sich um die Kranken im Lager. Er musste möglichst bald zur Küste zurückkehren, wo seine Schiffe vor Anker lagen, und er hatte nicht die Absicht, auch nur einen weiteren Mann zu verlieren.
Es war eine äußerst gute Nachricht, dass Erys die entscheidenden Schriften bereits am Abend gefunden hatte. Yrons erste Gruppe sollte am folgenden Tag noch vor der Morgendämmerung aufbrechen. Er hatte für sie auf der Grundlage seiner unvollständigen Karten vom Wald eine neue Route festgelegt. Sie würden möglicherweise sechs Tage brauchen, um die Schiffe zu erreichen, immer vorausgesetzt, dass ihnen nichts zustieß. Es waren vier Männer, in die Ben-Foran großes Vertrauen setzte, und das reichte auch Yron aus. Dennoch fürchtete er um die Männer. Der Regenwald war stets gefährlich, und er war inzwischen sogar noch gefährlicher geworden. Ihre Invasion würde nicht mehr lange unbemerkt bleiben, und unweigerlich würden die Elfen auf Rache sinnen.
Die wilde Gegenwehr der Elfenwache am Tempel hatte ihn überrascht, doch da draußen gab es noch viel schrecklichere Kämpfer, und vor allem diese Elfen fürchtete er. Und er war sicher, dass sie kamen. Ihm war klar, dass seine Männer nicht verstanden, warum er die Truppe aufteilte. Sie hatten gelernt, dass sie umso stärker waren, je mehr Köpfe sie zählten, doch in der Tiefe des Regenwaldes traf dies
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