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Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege

Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege

Titel: Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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Jägers. Tual hatte sich entschieden.
    Rebraal wurde verfolgt.
    Schaudernd und von Fieberanfällen geschüttelt zwang
er sich weiter. Es erschöpfte seine Arme, Mercuun zu tragen, der die meiste Zeit bewusstlos und die übrige Zeit kaum ansprechbar war. Rebraal wusste, dass er nicht mehr genug Kraft hatte, um gegen den Jaguar zu kämpfen, falls es einer war. Seine einzige Hoffnung war es weiterzulaufen, zu hoffen und zu beten, dass das Tier durch irgendetwas abgelenkt wurde.
    Er lief etwas schneller, obwohl sein Körper unbedingt ruhen wollte, sein Geist umwölkte sich, und seine Schulterwunde begann wieder zu bluten. Er stolperte über eine Wurzel, ging unter einem niedrigen Ast in die Hocke und stand keuchend wieder auf. Dann rannte er sogar im Dauerlauf und stellte sich vor, wie auch die Schritte des Jaguars schneller wurden, wie sich die Schultern des schlanken Tiers bewegten, wie seine Augen die Nacht durchdrangen, und wie die Nüstern zuckend Blut witterten.
    Hinter sich hörte er einen Zweig knacken und Blätter rascheln. Er rannte und betete um Gnade oder um ein Versteck. Mercuun zuckte in seinen Armen und stöhnte, ohne zu sich zu kommen; er spürte die Schmerzen von seinen gebrochenen Gliedern sogar in der Ohnmacht. Lianen und Ranken klatschten Rebraal ins Gesicht, er wich hierhin und dorthin aus, sprang über Wurzeln, rutschte einen kurzen Hang hinunter und zwang sich die andere Seite wieder hinauf. Er wagte nicht, sich umzudrehen.
    Die Geräusche des Regenwaldes erfüllten seine Ohren und schienen zehnfach und zwanzigfach lauter zu werden, als er rannte. Das Krächzen der Frösche, das Rascheln der Eidechsen, das Huschen der Ameisen und Spinnen. Alles schien auf einmal unnatürlich laut und wurde dennoch übertönt von seinen schnaufenden, ungleichmäßigen Atemzügen. Er beförderte seinen Freund
und sich über die Kuppe einer weiteren Anhöhe, ohne innezuhalten, er rannte weiter, durchquerte spritzend einen Wasserlauf, spürte das schmerzhafte Pochen im Kopf und vernahm die schrecklichen Geräusche, die hinter ihm immer mehr an Lautstärke zunahmen.
    Seine Beine knickten ein, doch er trieb sich noch einen Schritt weiter. Und noch einen. Er achtete nicht auf das Zittern in den Armen und die stechenden Schmerzen, die bei jedem Schritt durch seinen Rücken fuhren. Er musste dem Jaguar entkommen, er musste das Dorf erreichen und die Bewohner warnen. Der Tempel. Bei Yniss, der Tempel musste zurückerobert werden. Er durfte nicht versagen, sonst wäre die Harmonie verloren.
    Er hob den Kopf und suchte nach dem Weg, doch abermals trübte sich sein Auge, und ein Ast prallte frontal gegen seine Stirn.
    Rebraal fühlte sich, als bewege er sich in Zeitlupe. Während sein Kopf vom Aufprall noch hin und her pendelte, machten seine Beine schon wieder den nächsten Schritt. Doch er hatte das Gleichgewicht verloren, er konnte Mercuun nicht mehr halten, und sein schwer verletzter Freund entglitt ihm und rollte davon. Er ruderte verzweifelt mit den Armen, doch er kippte nach hinten und landete auf dem weichen, sumpfigen Waldboden. In seinem Kopf stoben die Funken, und er wurde beinahe ohnmächtig.
    Er hörte die Schritte des Tiers, das sich ihm näherte, er spürte schon die Erschütterungen in seinem gequälten Körper.
    »Es tut mir Leid, Meru«, sagte er, als er auf das Ende wartete. »Ich habe dich im Stich gelassen.«
    Der heiße Atem der Katze schlug ihm ins Gesicht. Er sah Tuals Kreatur in die Augen und betrachtete das Wunder
der Schöpfung, das ihm gleich das Leben nehmen würde. Doch es war kein Jaguar. Es war ein Panther, schwarz wie die Nacht und mit dem Licht der Intelligenz im Blick. Er streckte den Kopf vor und leckte ihm über Wangen und Stirn. Es war ein unglaublich tröstliches Gefühl, als die raue Zunge über seine Haut fuhr.
    Er runzelte die Stirn, jetzt hatte ihn seine Kraft endgültig verlassen, und er konnte nicht einmal mehr einen Arm heben. Als er das Bewusstsein verlor, hörte er noch eine Stimme.
    »Wie schnell du gelaufen bist, tapferer Al-Arynaar. Aber du kannst jetzt innehalten. Wir haben dich gefunden. Wir bringen dich heim.«
     
    Ilkar hatte ihnen prophezeit, dass es anders sein würde als alles, was sie kannten, doch es war ihm nicht gelungen, ihnen den Unterschied wirklich begreiflich zu machen. Der Regenwald war riesig. Unglaublich riesig. Er bedeckte das Land, so weit das Auge reichte, und der Julatsaner versicherte ihnen, dass er dahinter noch tausendmal größer war.
    Sie segelten

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