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Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege

Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege

Titel: Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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sagte Ilkar. Er bekannte sich schuldig, indem er beschwichtigend die Hände hob. »Aber die Möglichkeiten waren, die Bedingungen entweder gleich an Ort und Stelle zu akzeptieren, oder einen sehr langen, unbequemen Fußmarsch in Kauf zu nehmen. Wenn du einen Führer ablehnst, dann lehnst du alle ab.«
    »Du hast gestern Abend allein verhandelt. So hält es der Rabe aber nicht.«
    Ilkar nickte. »Diese Kritik muss ich einstecken, aber die Bedingungen sind in keiner Weise eine Belastung. Wenn überhaupt, dann muss man sie sogar vernünftig nennen. Wir sind verpflichtet, das Wesen des Waldes zu respektieren, wir dürfen keinen willkürlichen Schaden anrichten, wir dürfen nur töten, um zu essen oder um dem Tod zu entgehen, wir müssen angerichtete Schäden wieder gutmachen, und wir müssen das Land einer Familie oder eines Dorfs sofort verlassen, falls man es von uns verlangt.«
    Abgesehen von Achselzucken gab es kaum Reaktionen auf diese Eröffnung.
    »Dann dürfen wir also nicht mehr nach den Fliegen schlagen?«, fragte Hirad, während er genau dies tat.
    »Auf gar keinen Fall, Hirad«, sagte Ilkar. »Dafür wirst du in der Hölle schmoren.«

    »Wirklich?«
    »Nein, natürlich nicht«, erklärte Ilkar. »Was denkst du denn? Für jede Fliege, die du zerquetschst, gibt es eine Million andere. Bei Schlangen, Kaninchen und Jaguaren ist das Verhältnis entsprechend kleiner. Benutze deinen gesunden Menschenverstand.«
    »Den hat Hirad leider nicht«, warf Denser ein.
    »Überlass die Scherze mir, Denser«, riet Hirad ihm.
    »Das hast du schon einmal gesagt.«
    »Und solange du nicht witzig bist, werde ich es wiederholen.«
    »Und so beginnt die nächste ernsthafte Debatte unter Erwachsenen«, sagte der Unbekannte und brachte sie beide zum Schweigen. »Man muss wohl annehmen, dass diese Vorstellungen von Gleichgewicht und Harmonie religiöse Wurzeln haben?«
    Ilkar nickte und beugte sich vor, um seinen Becher aufzufüllen. Ren übernahm unterdessen das Erklären.
    »Auf jeder Ebene, die man sich nur vorstellen kann, existieren Götter, aber außerhalb der größeren Orte und Städte gibt es nur wenige Tempel.«
    »Vergesst nicht, dass der größte und älteste von allen hier draußen ist«, warf Ilkar ein.
    »In den Häusern gibt es Schreine für die bevorzugten Gottheiten, und die meisten Elfen glauben, der Wald selbst sei ein Tempel, in dem man beten kann. Im Wipfel des Baumes, wenn der Vergleich erlaubt ist, findet ihr Yniss, den Gott der Harmonie, der die Elemente beisammenhält. Yniss untergeordnet sind die Götter und Herren des Blätterdachs, der Wurzeln, der Tiere, des Windes, des Regens, des Todes und des Feuers … was immer du willst. Die Gottheiten, die am häufigsten angerufen werden, sind Tual, die über die Tiere herrscht,
was übrigens die Elfen einschließt, dann Cefu, der Gott des Blätterdachs, Gyal, der den Regen schickt, und Shorth, der Gott des Todes.«
    »Es gibt noch hunderte geringerer Gottheiten«, fuhr Ilkar fort. »Es ist eine alte, sehr gut strukturierte Religion, auch wenn sie ein wenig kompliziert scheint. Wichtig ist jedenfalls, dass man die Kraft dieser Überzeugungen nicht unterschätzen darf, und man muss wissen, dass manche Elfen große Mühen auf sich nehmen, um das zu schützen, was sie im Rahmen ihrer Religion für gegeben halten.«
    Hirad rutschte ein wenig herum und leerte seinen Becher. »Das ist komisch, Ilkar. Nun kennen wir uns seit so vielen Jahren, und ich habe kein einziges Mal gehört, dass du irgendeinen dieser Götter erwähnt hast.«
    »Das wäre auch scheinheilig gewesen«, sagte Ilkar. »Wenn ich wirklich gläubig wäre, dann wäre ich schon längst hierher zurückgekehrt und würde meinen Teil dazu beitragen, diese Welt zu erhalten, oder?«
    »Aber es ging dir auch darum?«, fragte Hirad.
    »Ein wenig, ja«, sagte Ilkar. Ihm war etwas unwohl bei diesem Thema. »Hör mal, können wir das jetzt auf sich beruhen lassen?«
    »Ilkar hat anscheinend ein peinliches Geheimnis«, sagte Denser.
    Hirad nickte. »So sieht es wohl aus.«
    »Können wir weitermachen? Bitte?« Ilkars erhobene Stimme erreichte auch Kayloor, der sich herumwälzte, ohne ganz zu erwachen, und dies erinnerte sie an das Naheliegende.
    »Wir haben morgen wieder einen langen Tag vor uns«, mahnte der Unbekannte.
    »Allerdings«, stimmte Ilkar zu. »Hört mal, ich würde vorschlagen,
dass ihr Netze über eure Hängematten spannt. Das fühlt sich etwas seltsam an, aber morgen früh werdet ihr mir dankbar

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