Die Legenden des Raben 01 - Schicksalswege
sein.«
Leise murrend verzogen sich die Rabenkrieger und Ren in die Betten. Aeb übernahm die erste Wache und badete sein Gesicht. Nach ihm wachten sie immer jeweils zu zweit.
Als er in seiner Hängematte lag und versuchte, es sich in diesem bescheidenen Rahmen bequem zu machen, spürte Ilkar das ängstliche Schweigen ringsum, während die fremden, nächtlichen Geräusche auf die Gruppe eindrangen. Er spürte, wie seine Freunde versuchten, auf Gefahren zu lauschen, nachdem sie die Sicherheit des Lagerfeuers verloren hatten. Doch alles, was sie hörten, war der Lärm, das Rascheln, Krächzen, Summen, Huschen und Heulen, das aus allen Richtungen kam.
»Hört das denn irgendwann mal auf?«, fragte Hirad.
»Niemals«, sagte Ilkar.
»Wundervoll. Du hättest uns ruhig sagen sollen, dass wir Ohrstöpsel mitnehmen müssen. Ich habe keine Lust, dauernd mit dem Finger im Ohr zu schlafen.«
»Glaube mir, Hirad, überhaupt nichts zu hören, ist noch schlimmer, als dies hier zu hören.« Ilkar lächelte vor sich hin. »Schlaf gut.«
»Wohl kaum.«
Im grauen Licht der Morgendämmerung konnte Selik Devuns Grinsen sehen. Er hatte nicht zu grinsen aufgehört, seit sie aus Understone herausgeritten waren, und er sah damit aus wie ein Kind, das um die Strafe für einen Streich herumgekommen war.
»Also«, wandte er sich schließlich an Devun. »Seit wir dieses Dreckloch verlassen haben, juckt es dich, es mir zu
erzählen. Was hast du nun mit diesem Magier gemacht, damit er seine Meinung ändert?«
Devun lachte. Es war ein unschöner Laut, seelenlos und ohne Humor. Selik seufzte innerlich. Wie die meisten Schwarzen Schwingen war Devun ein nützlicher Kämpfer, aber im Grunde austauschbar. Er hoffte, dass Callom und Edman sich besser entwickelten.
»Die Drohungen haben nicht gewirkt«, sagte Devun. »Er glaubte uns nicht, und er hätte uns wohl nie geglaubt. Deshalb habe ich ihm die Wahrheit gesagt.«
»Welche Wahrheit?« Dabei war Selik nicht sicher, ob er die Antwort wirklich hören wollte.
»Ich habe ihm gesagt, Xetesk wolle unbedingt die Kontrolle über die balaianische Magie übernehmen und werde nach Julatsa marschieren, sobald sie Dordover geschlagen haben.«
Selik sah ihn mit erneuerter Achtung an und fragte sich, ob er den Mann unterschätzt hatte. »Nun ja, das ist eher eine Vermutung als die absolute Wahrheit«, sagte er mit einem kleinen Lächeln. »Das ist auch nicht unbedingt die Botschaft, die er nach Julatsa bringen sollte, aber immerhin.«
»Oh, ich glaube nicht, dass er die Botschaft nach Julatsa bringt.«
»Warum nicht?« Die Zweifel waren wieder da.
»Weil ich ihm gesagt habe, es sei doch sinnvoll, mit Leuten zu reden, die etwas dagegen tun könnten. Deshalb geht er nach Dordover.«
»Bist du sicher?« Selik musste zugeben, dass diese Lösung sogar noch besser war, als er gedacht hatte.
»Sein Gesichtsausdruck hat es mir verraten«, sagte Devun. »Er hat mir geglaubt. Ich sagte, sie würden uns nicht glauben, aber einem Magier würden sie vertrauen. Ich
habe es ihm überlassen, sich eine Erklärung zurechtzulegen, wie er an diese Informationen gekommen ist.«
Selik kratzte sich mit dem Zeigefinger am Hals. »Ich bin wirklich beeindruckt. Wir wollen hoffen, dass er nicht vor den Toren von Vuldaroqs Kolleg kalte Füße bekommt, was?«
»Das ist immer ein Risiko.« Devun zuckte mit den Achseln.
»So ist es.«
Selik trieb die Schwarzen Schwingen an. Er empfand ein unvermutetes Hochgefühl. Auf der rechten Seite erhoben sich die mächtigen Blackthorne-Berge, als sie durch die Varhawk-Klippen nach Blackthorne ritten. Es würde eine schwierige Begegnung, doch mit der wärmenden Morgensonne im Gesicht war ihm nicht danach, sich über kommende Schwierigkeiten den Kopf zu zerbrechen.
Siebzehntes Kapitel
Die Dämmerung stand unmittelbar bevor. Ein heftiger Wolkenbruch, begleitet von spektakulären Blitzen und lautem Donner, hatte die Wachfeuer gelöscht und alle aus dem unruhigen Schlaf geweckt.
Yron ließ die Wächter ablösen, worauf sich halbwegs erfrischte Kämpfer zu den beiden noch intakten getarnten Elfenplattformen und den vier anderen verborgenen Posten begaben, die sie ein paar Fuß hoch in den Bäumen eingerichtet hatten. Es war wichtig, so früh wie möglich gewarnt zu werden.
Der Hauptmann hatte überhaupt noch nicht geschlafen, er hatte die ganze Nacht in der Tür des Tempels gestanden und sich Sorgen über den Angriff gemacht, der unweigerlich bald kommen musste. Vier Trupps von
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