Die Legenden des Raben 02 - Elfenjagd
machte eine verlegene Geste. »Der Rabe ist eine ganz außergewöhnliche Truppe.«
»Ich begreife es einfach nicht«, sagte Dystran, dem allmählich der Geduldsfaden riss. Angeblich bin ich der mächtigste Mann in Balaia, und trotzdem gelingt es einer Gruppe alternder Söldner, die zudem noch dreißig Meilen entfernt sind, alle meine Pläne zunichte zu machen. Sie verwandeln nach Belieben die Protektoren in harmlose Miezekatzen, und wahrscheinlich waren sie auch diejenigen, die Elfen in die Stadt geschickt haben, um Yron direkt vor unserer Nase herauszuholen. Verdammt, diese Stadt ist von Mauern geschützt. Wie, zum Teufel, konnten sie so leicht hereinkommen? Wie ist das alles möglich? Bitte sagt es mir, Ranyl. Das würde mich wirklich interessieren.«
Dystran wartete auf Ranyls Antwort. Der alte Mann hatte schon öfter solche Ausbrüche über sich ergehen lassen müssen, und wie immer reagierte er mit bewundernswerter Gelassenheit.
»Wir werden zu gegebener Zeit die Antworten auf alle Eure Fragen finden. Ich denke aber, dass die Elfen im Grunde unabhängig handeln. Vergesst nicht, wir haben das Aryn Hiil und eine Fülle von Forschungsergebnissen von den Al-Drechar. Ihr könnt Eure Pläne immer noch verwirklichen.«
»Jetzt geht es mir schon viel besser«, gab Dystran sarkastisch zurück. »Wie viele Jahre müssen wir wohl Dordover und die Elfen von unseren Toren fern halten, bis wir unser neues Wissen einsetzen können? Ich will Euch sagen, was passieren wird. Wir werden Yron und das Bruchstück von der Statue finden, und beide werden unversehrt
zu mir zurückgebracht. Setzt dafür so viele Männer ein wie möglich, ohne die Verteidigung unserer Stadt und unsere Fronten zu schwächen. Nur darauf kommt es an.«
»Und der Rabe und Aeb?«
»Benutzt sie. Spürt ihnen nach, dann findet Ihr auch den Daumen. Wir wissen, dass sie es darauf abgesehen haben. Was Aeb angeht, so werden wir ihn zurückrufen, wenn der richtige Augenblick gekommen ist. Im Augenblick ist er uns allerdings dort nützlicher, wo er ist. Was ist nun mit diesen dringenderen Angelegenheiten?«
»Der Krieg vor unseren Toren hat sich zu unseren Ungunsten entwickelt«, erklärte Ranyl.
»Ach ja, wie konnte ich das nur vergessen?«
Dystran schloss die Augen und hörte zu.
Der Rabe erwachte an einem nebligen, taufeuchten Morgen. Sie hatten mitten in der Nacht ihr Lager aufgeben und einen sicheren Platz suchen müssen und daher kaum geschlafen. Schließlich hatten sie beschlossen, mit dem Rücken zu einer niedrigen Felswand zu rasten, von der aus sie über ein bewaldetes Tal hinweg ein weites Hügelland überblicken konnten. Die Magier hatten im Umkreis von hundertfünfzig Schritten im offenen Gelände Alarm- und Wachsprüche gelegt, und da Denser, Darrick und vor allem Aeb Heilsprüche brauchten, waren ihre Mana-Reserven nahezu erschöpft.
Ihre Stimmung hatte sich nicht gebessert, nachdem Thraun und Ren vor Anbruch der Morgendämmerung erfolglos auf die Jagd gegangen waren, sodass ihr Frühstück nur aus einer dünnen Suppe mit Wurzelgemüse bestand. Das Kochfeuer hatten sie erst anzuzünden gewagt, als die erste Morgendämmerung den Horizont erhellte.
Außerdem waren durch die Neuigkeiten, die Aeb im
Seelenverband erfahren hatte, alle ihre Pläne über den Haufen geworfen worden.
»Was genau haben sie denn erzählt?«, fragte Denser.
»Meine Brüder haben Hauptmann Yron und den Magier Erys nicht behindert. Hauptmann Yron konnte aus dem Kolleg fliehen, Erys wurde getötet.«
»Wo ist Yron jetzt?« Hirad aß einen Löffel Suppe und schnitt eine Grimasse.
»Er wurde verfolgt«, berichtete Aeb. »Er konnte entkommen, weil er Hilfe fand. Zwei meiner Brüder wurden getötet. Wir glauben, die TaiGethen haben ihn.«
»Ausgezeichnet«, sagte Hirad. »Jetzt müssen wir nur noch aufpassen, dass sie nicht ohne uns zurückfahren, weil sie Erienne brauchen. Was machst du für ein Gesicht, Unbekannter?«
»Dies wirft einige andere Fragen auf«, antwortete der große Krieger. »Ilkar, kannst du mit deiner Kontaktperson bei den Al-Arynaar Kommunion halten und dafür sorgen, dass wir uns treffen?«
»Das schaffe ich noch. Aber bitte mich nur nicht, danach noch irgendeinen Spruch zu wirken.«
»Ich werde mich bemühen«, sagte der Unbekannte. »Aeb, erzähle mir noch etwas über die Reaktionen des Kollegs.«
Aeb stand dicht am Feuer. Der Unbekannte hatte ihm ein weißes Unterhemd geliehen, das die verbrannte Haut auf dem Rücken bedeckte. Es passte
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