Die Legenden des Raben 02 - Elfenjagd
sich mühsam wieder auf und riskierte einen Blick zurück.
»Nun macht schon, Erys!«, rief er.
Der Magier rannte aus Leibeskräften und mit gesenktem Kopf und schien, durch den Torbogen gesehen, der Freiheit ganz nahe zu sein. Dann aber stürmte von der Seite ein Soldat herbei, schwang sein Schwert und traf Erys’ Schulter. Yron sah das Blut spritzen, und dann schlug Erys schwer auf das Pflaster. Ein Pfeil, der dicht an seinem Kopf vorbeizischte, brachte Yron zur Besinnung. Er drehte sich um und verschwand, pausenlos fluchend, im Gewirr der Straßen, Gassen und Durchgänge des Künstlerviertels von Xetesk.
Merke und ihre Tai waren tief nach Xetesk eingedrungen. Ihre eigene und sieben weitere TaiGethen-Zellen durchkämmten
in der Nacht die Stadt, suchten nach Informationen und nach Schwächen, aber vor allem nach einem Weg, um ins Dunkle Kolleg selbst einzudringen. Trotz aller Soldaten und Magier, die gegen die anderen Kollegien ins Feld zogen, trotz der Mauern, der Protektoren und der Wachen, war es den TaiGethen mühelos gelungen, in die Stadt zu gelangen. Sie waren einfach an vier Stellen über die Mauern geklettert und hatten sich im Schutze der Nacht versteckt.
Drei Zellen durchkämmten die Wohnbezirke, zwei weitere waren auf den Märkten unterwegs, und drei, zu denen auch Auums Zelle gehörte, beobachteten das Kolleg. Ausnahmsweise befand er sich jedoch nicht am richtigen Ort. Merke, Inell und Vaart wurden dagegen an einem Tor des Kollegs Zeugen eines außerordentlichen Ereignisses.
Direkt vor ihnen hatte sich ein Nebeneingang nach außen gewölbt. Wenige Herzschläge später war ein Mann durchgebrochen, hatte sich überschlagen, sich wieder aufgerappelt und sich rennend vom Kolleg entfernt. Keine zwanzig Schritte vor den Elfen war er in eine Gasse gelaufen. Auf die Verfolger mussten sie nicht lange warten – Männer mit Schwertern und maskierte Protektoren, die sich in Gruppen von dreien, vieren und fünfen aufteilten und in den tiefen Schatten der Lagerhäuser und der stinkenden Metallschmelzen verschwanden. Einige rannten direkt an den Elfen vorbei, andere bogen in die Gasse ein, in der der Flüchtige verschwunden war.
Merke warf einen Blick zu ihren Tai. Vaart zuckte mit den Achseln.
»Der fliehende Mann ist eher ein Verbündeter als ein Feind.«
»Das soll uns für den Augenblick als Begründung ausreichen«, erwiderte Merke.
Lautlos wie Gespenster setzten sich die Tai in Bewegung, nahmen ihre Bogen vom Rücken, öffneten Jaqrui-Beutel und Schwertscheiden. Merke führte, Inell und Vaart folgten ihr. So tauchten sie aus der Gasse auf, in der sie sich versteckt hatten, und liefen an der Vorderfront und der seitlichen Mauer eines Lagerhauses entlang.
Die kahle Wand des nächsten Gebäudes war höchstens fünfzehn Fuß entfernt und erhob sich mehr als dreißig Fuß hoch bis zum schrägen, mit Ziegeln gedeckten Dach. Hier fühlten sich die TaiGethen eingesperrt, wie es im Regenwald niemals geschehen konnte. Die Gerüche der Stadt und die öden Bauten gehörten zu einem Ort, an dem nach Merkes Ansicht kein vernünftiger Mensch leben wollte. Doch die Xeteskianer lebten hier, und hier sollten sie auch sterben.
Merke gab flüsternde Anweisungen und hielt zwischen ihren beiden Bogenschützen Schwert und Jaqrui bereit. Voraus sah sie vier Männer in eine Gasse eilen. Sie bogen nach links ab und verschwanden. Als Rufe und Schreie ertönten, beschleunigte sie und folgte den Männern um die Ecke. Es war eine Sackgasse, an deren Ende ein Mann an einer hohen Steinmauer stand.
Aufrecht wie ein Krieger stellte er sich den vier Gegnern und hob die Axt, als sie sich näherten. Zwei trugen Masken, einer war unbewaffnet, der Vierte hatte eine Armbrust. Sie redeten auf den Mann ein, der den Kopf schüttelte.
»Links und rechts«, flüsterte sie.
Pfeile flogen und durchbohrten die Hälse der Maskierten, die lautlos zu Boden gingen. Ihr Jaqrui sauste durch die Luft, das schrille Pfeifen ließ einige Vögel erschrocken auffliegen. Der unbewaffnete Mann, ein Magier, drehte sich im letzten Augenblick um und sah den Wurfstern, der
sich in seinen Nasenrücken grub. Kreischend ging er zu Boden.
Der Gejagte ergriff die Gelegenheit und sprang. Ein Arm hing gelähmt herab, doch mit dem zweiten wusste er seine Streitaxt gut zu führen. Der Armbrustschütze geriet in Panik und traf den Schenkel des Mannes, der dennoch weiter angriff und dem Schützen mit der Axt das Gesicht zerschmetterte. Mit gespaltenem Schädel
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