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Die Legenden des Raben 03 - Schattenherz

Die Legenden des Raben 03 - Schattenherz

Titel: Die Legenden des Raben 03 - Schattenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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sagte der Unbekannte. Er richtete sich auf und sprach eindringlich weiter. »Denk nach wie noch nie in deinem Leben.«
    »Was glaubst du denn, was ich die ganze Zeit getan habe?«
    »Alles Mögliche, nur nicht denken«, meinte Denser. Er ging zum kalten Kamin, auf dessen Sims ein Krug und geschnitzte Holzbecher standen.
    »Ich habe mich schon gefragt, wann du dich ins Vergnügen stürzen würdest«, knurrte Hirad.
    Denser schenkte Bier ein und teilte die Becher aus.
    »Das ist für uns alle kein Vergnügen«, entgegnete Denser. »Heryst will, dass wir alle, und vor allem du, bis zur Dämmerung die Stadt verlassen.«
    »Er weiß doch genau, was …«
    »Hirad!«, blaffte der Unbekannte. »Trink dein Bier, hol tief Luft und zähle bis zehn, und zwar langsam. Du musst dich beruhigen.«
    Hirad öffnete den Mund.
    »Lass es bleiben«, sagte der Unbekannte. »In diesem Moment bist du die zweitgrößte Gefahr für Darricks Leben.«
    »Wie kommst du denn auf so was?«
    »Dazu muss man kein Genie sein, Hirad«, sagte Erienne.
    »Was?«
    Denser hätte beinahe gelacht, beherrschte sich aber im
letzten Moment. Er sah Hirads Wut verfliegen, als ihm bewusst wurde, dass er keine Verbündeten hatte.
    »Eines will ich dir versichern«, sagte der Unbekannte leise. »Der Rabe wird keinen Rabenkrieger im Stich lassen. Das haben wir noch nie getan, und das werden wir auch heute nicht tun.«
    »Ich …«
    »Halt den Mund, Hirad«, sagte der Unbekannte.
    Er ging zur Tür und riss sie auf, blickte den Korridor entlang und schloss sie wieder, nachdem er sich vergewissert hatte, dass niemand lauschte. Dann wandte er sich an Denser.
    »Sicher ist sicher, was?«
    Denser nickte. »Kein Problem.«
    Der Schallschild war ein einfacher Spruch, der in wenigen Sekunden gewirkt war. Denser nickte, als er fertig war. Immer noch schwer atmend, sah Hirad finster von einem zum anderen. Schließlich blieb sein Blick an Erienne hängen, die zu ihm kam, vor ihm niederkniete und eine Hand auf seine Wange legte.
    »Oh, Hirad, du reagierst ganz richtig, aber immer im falschen Augenblick.«
    »Ich muss tun, was ich fühle«, verteidigte er sich.
    »Kommt Zeit, kommt Rat«, sagte der Unbekannte. »Zeige diese Leidenschaft später, und wir haben vielleicht eine Chance.«
    »Später?«
    »Ja, später.« Der Unbekannte ging umher, beschrieb einen kleinen Kreis. »Erienne, wie viel Zeit bleibt noch bis zur Hinrichtung?«
    »Mitternacht ist in Lystern der übliche Zeitpunkt. Die Verurteilten sollen den nächsten Morgen nicht mehr erleben.«

    »Mitternacht«, wiederholte der Unbekannte. »Wenn wir alle zur Ehrenwache zusammenkommen, um über Darricks Tod zu trauern. Hirad, hast du das verstanden?«
    »Mehr oder weniger.«
    »Bei den fallenden Göttern, ein Lebenszeichen.« Der Unbekannte leerte seinen Becher und setzte sich zum Barbaren. »Und jetzt können wir endlich planen.«
     
    Devun war lange unterwegs gewesen, ehe er Understone erreichte. Viele Tage lang hatte er sich vor dem gefürchtet, was er dort vorfinden würde. Die verzagte balaianische Armee unter Befehl der Schwarzen Schwingen brauchte eine Aufmunterung. Selik hatte versprochen, zu ihnen zu stoßen, war aber bisher nicht eingetroffen. So hatte die Armee aus gewöhnlichen Balaianern, die sich gegen die Magie zusammengetan hatten, nur wenige Meilen vor den Mauern von Xetesk Halt gemacht. Ihr Ziel war in Sichtweite, doch die Kämpfer hatten zu große Angst, um sich dem Gegner ohne ihren Anführer zu nähern.
    Am Ende war Devun mit zehn Männern zurückgeritten, um Selik zu suchen, und hatte Understone als ein offenes Grab vorgefunden. Fünfzig Schritte vor dem Palisadenzaun der Garnison stieg er ab und ließ sein Pferd am sprießenden Präriegras zupfen. Der Wind trug einen starken Verwesungsgeruch heran, während er die Schäden am Palisadenzaun betrachtete, hinter dem Selik Quartier bezogen hatte. Ein paar Schritte weiter, und er stieß auf die ersten Toten, die grotesk verzerrt herumlagen.
    Devun schickte seine Männer in die Stadt und ging allein zur Palisade weiter, obwohl er schon wusste, was er dort finden würde. Ein taubes Gefühl breitete sich in ihm aus. Er band sich einen Lappen vor Nase und Mund, um den Gestank abzuhalten, der mit jedem Schritt stärker wurde. Vorsichtshalber
zog er auch sein Schwert, doch die Plünderer waren längst wieder fort. Die Leichen auf der Hauptstraße waren ihrer Waffen, der Rüstungen und der Kleider beraubt. Seine Männer sahen sich unterdessen am Ostrand der

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