Die Legenden des Raben 03 - Schattenherz
ich hätte mir etwas anderes gewünscht. Ihr bringt euch in große Gefahr und setzt auch unser Vorhaben aufs Spiel.«
Hirad wollte widersprechen, doch der Unbekannte kam ihm zuvor.
»Wir verstehen, was ihr empfindet«, sagte er ruhig, »aber wir müssen es ebenso tun, wie ihr es tun müsst. Menschen, die wir lieben, sind in Gefahr.«
Rebraal nickte. Evunn und Duele hatten sich inzwischen zu Auum gesellt. Die Elfen neigten den Kopf zum Gebet, begrüßten Rebraal mit einem knappen Handschlag und rannten in die Dunkelheit davon, hinüber zu den Mauer von Xetesk.
Auum führte seine Tai ins dichte Präriegras und ging in die Hocke. Evunn war fünf Schritte rechts, Duele ebenso weit auf der linken Seite entfernt. Die übrigen TaiGethen hatten, mit Auum im Zentrum, in einem lockeren Halbkreis Aufstellung genommen. Alle hatten die gleichen Anweisungen bekommen: ungesehen und ungehört bis zu den Mauern vordringen. Unter den nach außen geneigten Wänden wären sie dann vorübergehend in Sicherheit. Diese Mauern machten das Klettern etwas schwieriger, aber das war nichts, was einen Elf der TaiGethen abschrecken konnte. Was gewisse Angehörige der Al-Arynaar und die Rabenkrieger anging, so war Auum nicht ganz so sicher.
Obwohl er sich normalerweise nicht auf sein Glück verließ, musste Auum zugeben, dass es bisher gut verlaufen war. Es war eine perfekte Nacht für ihren Überfall, besser hätte es kaum kommen können. Die Wolken hingen niedrig, finster und dicht am Himmel; ein feiner, stetiger Regen fiel und vertiefte die Dunkelheit. Eine leichte Brise wehte durchs Gras und half, seine Bewegungen vor den wachsamen Augen auf den Wällen zu verbergen.
Er hielt sich völlig still und lauschte, genau wie seine Tai, auf die leisen Geräusche in der Umgebung – das Rauschen
des Windes, die kleinen Tiere, die sich am Boden bewegten, das Summen der nachtaktiven Insekten. Er konzentrierte sich auf das Nicken der Halme und die Wellen, die sich im Gras ausbreiteten, auf ihre Häufigkeit und Stärke.
Dann bewegte er sich mit dem Gras, ging in die Hocke, stimmte seine Bewegungen auf die Halme ab und hielt inne, wenn sie still standen. Die ganze Zeit über ließ er die Mauern, denen er sich näherte, nicht aus den Augen. Kahl und hoch reckten sie sich zum Nachthimmel empor. Er sah das Licht von Fackeln und Laternen, die an der Brustwehr befestigt waren oder von Wächtern getragen wurden. Links war einer der kleineren Wachtürme, die zu Dutzenden die Mauer verstärkten, mit Kohlenpfannen hell erleuchtet. Das Licht fiel aus den schmalen Schießscharten und durch die offene Tür und beleuchtete den fallenden Regen.
Die Krallenjäger hatten die Verstärkung der Mannschaften auf den Wällen sehr genau beschrieben. Häufiger als sonst sah er Lichter, die sich auf den Mauern bewegten. Zweifellos musste ein recht großer Bereich freigeräumt werden, damit sie genügend Zeit hatten, auf der anderen Seite wieder hinabzusteigen und die relative Sicherheit des Sammelpunktes zu erreichen – ein leeres Haus, das zwischen einer Bäckerei und einem kleinen, derzeit nicht benutzten Stall stand.
Je näher sie der Mauer kamen, desto langsamer bewegte sich Auum. Mit seinen scharfen Augen konnte er siebzig Fuß hoch bereits die Gesichtszüge der Wachen erkennen. Er hörte kurze Wortwechsel, die das Rauschen des Grases rings um seinen Kopf übertönten. Und er roch den Stein und die Stadt dahinter. Es war eine Mischung aus Alter und Rauch, von Kälte und Feuer, von Leben und Tod. Vor ihm huschten Schatten über den dunkelgrauen Stein. Die Krallenjäger. Die Panter tappten lautlos an der Mauer entlang,
ihre Partner bewegten sich fast unmerklich und schnüffelten in der Luft, beobachteten das Gras und die sich nähernden TaiGethen.
Bald darauf stand Auum bei ihnen. Sie nahmen seine Gegenwart mit knappem Nicken zur Kenntnis. Zwei der drei Krallenjägerpaare waren bereits an der Mauer unterwegs, einer links und der andere rechts. Das dritte Paar blieb, wo es war, der Panter saß auf dem Hinterteil und leckte sich leise schnurrend die Pfoten. Evunn und Duele tauchten aus dem Gras auf.
»Klettert«, sagte Auum. »Ihr wisst, wo ihr einen Halt findet.«
Duele trat sofort an den Fuß der Mauer, zog die Seilrolle von der Schulter und band sich ein Ende an den Gürtel. Er hielt noch einmal kurz inne, vergewisserte sich, welchen Weg er nehmen wollte, und begann zu klettern.
Auum sah ihm nach, wie er mit sicheren Bewegungen an der scheinbar fugenlosen
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