Die Legenden des Raben 03 - Schattenherz
geschmiegt, langsam auf und wartete, bis Duele und Evunn bei ihm waren. Ein Blick nach rechts zeigte ihm, dass Duele ihn sogar überholt hatte. Er lächelte.
Jetzt ging es los.
Keine sechs Fuß entfernt kamen xeteskianische Wärter vorbei. Sie unterhielten sich leise, ihre Schritte hallten über den Wehrgang. Die TaiGethen hatten jetzt nur noch eine letzte Schräge bis hinauf zur Brüstung vor sich, dann kam die vier Fuß breite Mauer, und dahinter konnten sie auf den Wehrgang springen.
Auum konnte nicht leugnen, dass er in Versuchung geriet. Das Überraschungsmoment hätte sicherlich völlig ausgereicht. Doch er war ein Jäger des Regenwaldes und gehorchte einer Tugend, der er mehr als allen anderen sein Leben und seinen Erfolg zu verdanken hatte. Geduld.
Als hingen sie hoch über dem Waldboden an Ranken, warteten die Tai ab. Jeder betete zu Yniss, jeder betete zu Gyal, dass der Regen fallen möge und die Wolken düster blieben. Jeder zählte die Wächter, die oben vorbeikamen. Die Häufigkeit der Schritte und die Zeitspannen zwischen ihnen, ihre Richtung.
Aus Erfahrung wussten sie, dass die Mauer in Abschnitte unterteilt war, die von verschiedenen Posten überwacht wurde. In dieser Nacht waren allerdings erheblich mehr Streifen unterwegs. Vorher hatten sie zwischen den Patrouillen genügend Zeit gehabt, die Mauern zu überwinden und auf der anderen Seite hinabzusteigen. In dieser Nacht zählte Auum allein in diesem Abschnitt drei Streifen. Es waren zwei von jeweils zwei und eine mit drei Männern. Da die Streifen kaum mehr als hundert Schritt voneinander entfernt waren, durften die Elfen bei ihrem Angriff keinen Fehler machen.
Die Tai waren bereit. Eine Streife von zwei Mann kam von links nach rechts vorbei. Auum zählte im Kopf bis dreißig und stieg zwischen zwei Zinnen auf die Mauer hinauf, Evunn war sofort neben ihm. Die Elfen kauerten nun im Schutz zweier Zinnen und konnten vom Wehrgang aus nicht gesehen werden.
Die zweite aus zwei Wächtern bestehende Streife näherte sich aus der anderen Richtung. Auum hörte sie miteinander reden. Sie blieben stehen, um auf das dunkle Land hinauszublicken, wo sich nichts verändert hatte. Gemächlich gingen sie weiter und kamen an den beiden TaiGethen vorbei.
Jetzt bewegten sich die Schatten. Auum und Evunn sprangen auf den Wehrgang, machten einen raschen Schritt und packten die Opfer. Eine Hand legten sie ihnen auf den Mund, die andere fasste den Kopf an der Seite. Ein harter Ruck und eine Drehung, dann war das Genick gebrochen. Die Wächter sanken tot in sich zusammen.
Die Elfen schleppten die Toten zur Mauer, die Stiefel scharrten auf dem Stein. Auum lauschte angestrengt. Nirgends wurde Alarm geschlagen. Noch nicht. Hinter ihnen ging die andere Zweimannpatrouille ahnungslos weiter, und vor ihnen näherte sich die aus drei Mann bestehende Streife dem Wachtposten am anderen Ende des Abschnitts. Sie hatten auf dem gut beleuchteten Weg nur noch einige Schritte vor sich. Es wurde knapp.
Duele wartete an der Schräge auf sie und packte die beiden Toten am Kragen, während Auum und Evunn neben ihm auf die Mauer sprangen. In den wenigen Augenblicken, die ihnen noch blieben, legten sie die Toten so gut wie möglich zurecht, lehnten die Oberkörper an die Mauer, richteten die Beine aus und legten die Arme oben darauf, um den Anschein zu erwecken, die beiden blickten in die Nacht
hinaus. Auum und Evunn hielten die Toten fest, Duele nahm unterdessen den Bogen von der Schulter und legte einen Pfeil ein.
Die Wartezeit kam ihnen lang vor, aber so war es immer, wenn die Falle gestellt war. Die Stimmen hörten sie schon vor den Schritten. Gelegentlich konnte Auum sogar ein Wort verstehen. Zunächst klang es noch eher scherzend. Als die Toten sich nicht rührten und nicht antworteten, wurden die Rufe drängender.
Ein scharfer Befehl wurde gegeben, die Schritte beschleunigten sich, und die Wächter wechselten zornige Worte. Sie waren jetzt sehr nahe. Duele spannte den Bogen. Auum und Evunn hielten sich mit Messern in den Händen bereit.
Eine Hand berührte die Schulter des Toten, den Auum hielt. Der Anführer der TaiGethen explodierte förmlich, sprang um die Mauerzinne herum und stach dem Wächter die Klinge in die Kehle, um ihn möglichst rasch und unbemerkt auszuschalten. Auch Evunn sprang los, auf seiner Klinge fing sich kurz der Fackelschein, als sie ihr Ziel traf. Duele stand aufrecht auf dem Stein und schoss, sein Pfeil traf den dritten Wächter in den Mund. Metall
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