Die Legenden des Raben 03 - Schattenherz
klirrte, als er stürzte.
Sofort hetzten Auum und Evunn der letzten Patrouille hinterher. Diese Männer waren immer noch ahnungslos. Der Wind, der über die Mauer wehte, und ihre eigenen Stimmen übertönten alles, was hinter ihnen geschehen war. Gleich würden sie kehrtmachen und erwarten, ihre Kameraden zu sehen, die ihnen entgegenkamen. Daraus würde nun nichts mehr werden. Auum öffnete seinen Jaqrui-Beutel und zog eine flüsternde Klinge heraus. In der anderen Hand hielt er das Messer, von dem das Blut tropfte. Die Wächter blieben an der offenen Tür des Wachhäuschens
stehen und warfen einen kurzen Blick hinein, ehe sie sich umdrehten.
Auums Jaqrui sauste durch die Nachtluft, fegte durch den Rauch einer Fackel, die in einer Klammer steckte, und näherte sich unheildrohend und pfeifend dem Gegner. Gleichzeitig warf Duele sein Messer.
Die fünfzehn Schritte entfernten Wächter hatten gerade noch Zeit, instinktiv die Hände zu heben. Dueles Messer traf das Ziel, durchschlug die locker gebundene Lederrüstung und bohrte sich in die Brust des Opfers. Der Mann grunzte und stolperte. Sein Gefährte neben ihm verlor drei Finger der in einem Handschuh steckenden Hand, bevor der Jaqrui in seine Wange schlug.
Einen Augenblick lang waren beide still und starrten mit aufgerissenen Augen die Angreifer an, die sich ihnen mit erschreckender Geschwindigkeit näherten. Der Mann, der die Finger verloren hatte, stieß einen gequälten, gurgelnden Schrei aus. Der Zweite wollte nach dem Schwert greifen. Duele kam ihm zuvor und versetzte ihm einen Tritt gegen die Brust, der die Messerklinge zum Rücken hinaustrieb. Auum brachte den schreienden Mann mit einem Schlag auf die Kehle zum Schweigen und legte ihm die Hand auf den Mund.
Es war wieder still. Auum wartete auf ein Zeichen, ob irgendjemand etwas gehört hätte. Auf sein Nicken hin schlich Duele zur Wachstube und spähte hinein. Dann schloss er die Tür und hielt im Schatten Wache. Für einen beiläufigen Beobachter auf der Straße war er nicht zu sehen.
Auum trottete über den Wehrgang zurück und winkte Evunn, die andere Wachstube zu übernehmen. Erst jetzt warf er einen Blick zur Stadt. Der Wehrgang war etwa fünf Fuß breit und fiel auf der Innenseite ohne Geländer tief zu
den schwarzen Straßen und Häusern hin ab. In der dunklen Stadt waren nur einige Wachfeuer und ein paar Laternen vor Häusern zu sehen, doch vor dem bewölkten Himmel konnte Auum leicht die Türme des Kollegs von Xetesk ausmachen.
Der Gestank der Stadt war hier viel stärker, und es würde noch schlimmer werden, wenn sie hinunterstiegen und den Sammelpunkt aufsuchten, der in einem relativ dünn besiedelten Viertel lag. Der klebrige Geruch eng zusammenhockender Menschen mischte sich mit dem Gestank von Feuer, Abwasserkanälen und Metallschmelzen. Es war eine Beleidigung für die Sinne. Nur wenn er sich umdrehte, konnte Auum das offene Land und die fernen Bäume riechen. Ihm war unverständlich, wie die Menschen so leben konnten.
Eine Weile hockte er am Rand des Wehrganges. Nichts Ungewöhnliches war zu hören. Dann richtete er sich wieder auf und rannte zum Aufstiegspunkt an der Mauer. Evunn hatte unterdessen die zweite Wachstube erreicht. Auch dort war die Tür bereits geschlossen, und sein Tai stand davor und passte auf. Auum tippte mit dem Messer auf den Stein und wartete, bis die nächste Tai-Zelle bei ihm auf dem Wehrgang eingetroffen war. Jeder Elf hatte eine Seilrolle auf dem Rücken.
»Marack, an die Seile. Ataan, wirf die Toten über die Mauer. Uvoll, wir müssen die Fackeln dämpfen. Beeilt euch.«
Die Zelle teilte sich auf. Auum war klar, dass sie früher oder später die Aufmerksamkeit anderer Wächter erregen würden, wenn sie diesen Abschnitt der Mauer verdunkelten, doch im Augenblick wollte er nicht riskieren, von den Straßen aus bemerkt zu werden. Bald würde der Wehrgang vor Elfen wimmeln. Wieder tippte er gegen die Mauer, und die nächste Zelle kam auf den Wehrgang.
»Seile«, sagte er. »Rasch.«
Ein drittes Klopfen, und die vierte Zelle stieg über die Mauer.
»Nach unten auf die Straße, sichert den Sammelpunkt.«
Auum wandte sich wieder zum offenen Land um und klopfte abermals auf den Stein. Die zweite Stufe ihres Plans konnte beginnen.
Vierzehntes Kapitel
»Danke«, sagte Tessaya. Er hob seinen Weinkelch und leerte ihn mit einem einzigen langen Schluck. Einige Tropfen rannen ihm links und rechts aus dem Mundwinkel. Riasu lachte, schenkte ihnen beiden nach und
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