Die Legenden des Raben 03 - Schattenherz
blickten erstaunt von ihrer Arbeit auf, während die Magier ihre Sprüche wirkten. Alte, weise Männer blickten aufs Kolleg herab, die riesigen Gesichter waren vom Alter zerfurcht und kündeten von Wissen und Weisheit. Denser hatte ihnen versichert, dass dieses Gemäuer bei Tageslicht einen beeindruckenden Anblick bot, doch das war Auum im Augenblick herzlich gleichgültig. Ihm war nur wichtig, dass man dank der Verzierungen leicht hinaufklettern konnte und größtenteils vor den Augen der Feinde verborgen blieb.
Duele war im Nu oben. Evunn folgte ihm ebenso schnell, zwei Magier der Al-Arynaar waren die Nächsten. Dann winkte er Marack, mit ihrer Zelle hochzuklettern. Die beiden Zellen, die von Porrack und Allyne geführt wurden, sollten den anderen als Augen und Ohren dienen und im Schatten versteckt draußen warten. Auum stieg hinter Marack hinauf und fand das Dach so, wie Denser es beschrieben hatte. Beeindruckende Dämonenfiguren, fliegende Scheusale und sogar Stapel von Büchern und Schriften waren in Stein gemeißelt.
Er ging zu Duele und Evunn hinüber und gab den anderen mit einem Nicken zu verstehen, sie sollten sich verstecken. Es war nicht nötig, sie eigens darauf hinzuweisen, dass sie wachsam bleiben mussten. Aufmerksam beobachteten sie die Gebäude und den Boden.
»Los jetzt.«
Auum und seine Tai schwärmten zu den drei nächsten Oberlichtern aus, legten sich flach aufs Dach und spähten hinein, ohne sie zu berühren. Die kleinen Fenster waren in erhöhte, abschüssige Steinkästen gesetzt. Auums Augen durchdrangen mühelos das Zwielicht unter ihm, zumal es in der Bibliothek nicht völlig dunkel war. Irgendwo im Erdgeschoss
fiel Licht herein, vermutlich unter einer geschlossenen Tür hindurch.
Unmittelbar unter sich sah Auum frei stehende oder in der Wand befestigte Bücherregale und Schaukästen, die in strengen Reihen das ganze Stockwerk einnahmen. Zur Haupttür hin war ein Bereich frei geblieben, wo Schreibpulte und größere Tische, kleine Bücherregale und mehrere Stühle standen. Auf einigen Tischen lagen Bücher und Pergamente, und Auum konnte sogar Lampenhalter, Tintenfässchen, Federkiele und Briefbeschwerer erkennen.
Rechts und in östlicher Richtung verlief ein mit Teppich ausgelegter Gang bis zur großen Treppe, die in zwei Absätzen nach oben führte. Jeder Absatz war zu einem weiten Oval ausgebaut, von dem aus man die darunter liegende Etage betrachten konnte. Auch an den Außenwänden standen Regale, und wo genügend Raum blieb, waren in der Mitte weitere Schreibpulte und Tische aufgestellt. Es war eine wohl geordnete Einrichtung und zweifellos am Tage ein luftiger, heller Ort. Ein guter Platz zum Lernen, der ihm dennoch fremd war.
Er hob den Kopf und sah sich nach links und rechts um. Evunn und Duele warteten auf ihn und schüttelten die Köpfe. Auch sie hatten keinen Menschen gesehen. Ein Flüstern, kaum mehr als ein Hauch zwischen den Statuen, erreichte seine Ohren. Marack und ihre Tai hockten in der Deckung einer grässlichen Dämonenstatue. Sie zog die rechte Augenbraue hoch, und Auum folgte ihrem Blick.
Auf dem höchsten Balkon eines äußeren Turmes stand ein Mann. Die Regenschleier täuschten vielleicht, aber Auum war sicher, dass der Mann das Geländer packte, als hätte er Angst zu stürzen. Irgendetwas flatterte um seinen Kopf herum. Es war kein Vogel, sondern irgendein anderes Wesen mit Flügeln. Denser hatte diese Geschöpfe erwähnt,
sie waren gefährlich und gehörten zu einer Welt, vor der Yniss die Elfen beschützte.
Er wartete ab und beobachtete. Das Dach war von dort oben einzusehen, aber er hoffte, wenn er still blieb, wäre er nicht mehr als ein Schatten auf dem Stein. Das Wesen landete auf dem Geländer und sah dem Mann in die Augen, es streckte eine Hand aus und streichelte die Wange des Greises. Auum runzelte die Stirn. Diese Geste passte überhaupt nicht zu dem Äußeren und der Herkunft dieses Wesens.
Der Alte stützte sich schwer auf den Stock und aufs Geländer, dann hielt er sich am Türrahmen fest und kehrte mühsam in den Turm zurück. Offenbar bereitete ihm jeder Schritt Schmerzen.
Irgendetwas nagte an Auum. Es war nur ein alter Mann, aber es war seltsam, dass er genau in diesem Augenblick seine Ruhe unterbrochen und trotz seiner Schmerzen beschlossen hatte, nach draußen zu treten. Vielleicht spürten einige Feinde, was den Wächtern auf den Mauern offenbar entging. Die TaiGethen hatten keine Zeit zu verlieren.
Er winkte eine Magierin der
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