Die Legenden des Raben 04 - Zauberkrieg
Dingen, die er frustrierend fand – wie etwa seine mangelnden sprachlichen Fähigkeiten und die Lücke, die zwischen Denken und Ausdrucksvermögen klaffte. Wie die Liebe für seine wölfische
Seite, die er immer noch in sich trug, die er jedoch verleugnete, weil er die Gefangenschaft im Tierkörper fürchtete. So viele Dinge, die er nicht richtig verstand.
Eine Weile blieb er bei den Pferden stehen und genoss ihre Wärme und Unschuld. Sie verlangten so wenig, doch ihnen entging fast nichts, was sich in ihrer Umgebung abspielte. Es kam ein Moment, in dem sie alle ihre Aufmerksamkeit auf den gleichen Punkt richteten. Thraun entfernte sich von ihnen und kehrte rasch zu seinen Freunden zurück. Denser warf sich unruhig hin und her, doch angesichts seiner Ängste hätte er dies jederzeit auch ohne äußeren Anlass tun können. Andererseits …
Thraun näherte sich Denser mit sehr leisen, gleichmäßigen Schritten und beobachtete, wie der Magier mit den Armen herumfuchtelte, als wehrte er einen unsichtbaren Gegner ab. Und wirklich, Thraun sah ein Flimmern vor der Hitze des erloschenen Lagerfeuers. Er ging rasch an Densers Füßen vorbei, bückte sich und packte den Magier im Tarngang. Er erwischte ihn ein wenig zu hoch und korrigierte den Griff. Anschließend gab Thraun ihm einen Stoß, und der Meuchelmörder wurde sichtbar. Er lag mit dem Gesicht am Boden, und Thraun presste ihm ein Knie in den Rücken. Der Gestaltwandler knurrte.
»Messer«, sagte er.
Der Meuchelmörder streckte den rechten Arm aus. Der Dolch, den er in der Hand hielt, trug irgendeinen Überzug. Thraun schlug ihm aufs Handgelenk, und der Mann ließ die Waffe los.
»Du wirst dich nicht bewegen«, befahl Thraun. Er packte den Hals des Meuchelmörders fester und zog ihn hoch, den zweiten Arm legte er um ihn und fasste ihm in den Schritt. »Der Rabe!«, hallte Thrauns Stimme durchs Lager.
Sie erwachten, rollten sich herum und standen auf, schüttelten
die Benommenheit ab und zogen die Schwerter aus den Scheiden, die neben ihnen bereitgelegen hatten.
»Formiert euch!«, rief der Unbekannte.
Rasch nahmen die vier Rabenkrieger ihre Positionen rings um die noch schlafende Erienne ein, die sich erst jetzt langsam regte. Thraun zog seinen Gefangenen in den Ring hinein.
»Wo ist dein Freund?«, fragte Hirad.
Der Meuchelmörder sagte nichts. Thraun zog ihn näher an sich und verstärkte mit beiden Händen den Druck.
»Rede.« Wo einer war, lauerte ein Zweiter, der sie wahrscheinlich ganz aus der Nähe beobachtete. »Rede.«
Der Meuchelmörder stöhnte leise vor Schmerz. Denser drehte sich um, und Thraun sah, wie enttäuscht er war.
»Takyn?«, sagte er. »Du?«
»Tut mir leid, Denser«, erwiderte der Meuchelmörder. »Ich habe meine Befehle.«
»Das finde ich wirklich allerliebst.« Er drehte sich wieder herum. »Jetzt schicken sie schon meine Freunde, um mich umbringen zu lassen.«
»Du hättest dir eben bessere Freunde aussuchen müssen«, meinte Hirad.
»Habe ich ja getan.«
»Ja, Denser, das hast du getan.«
»Ruf den Zweiten her«, sagte der Unbekannte. »Entweder das, oder er kann dir beim Sterben zusehen.«
»Ich mach das schon«, sagte Denser. »Gythen, ich weiß, dass du da bist. Komm heraus, komm zu uns. Lass uns die Sache klären, dann können wir alle überleben.«
»Sei nicht so naiv, Denser«, ertönte eine Stimme aus der Dunkelheit. Thraun versuchte sofort, die Richtung festzustellen. »Du könntest uns doch unmöglich ziehen lassen. Das weiß Takyn so gut wie ich.«
»Dann komm her und greif uns an«, sagte Hirad.
Ein trockenes Kichern war die Antwort. »Ich hatte wirklich nicht die Absicht, im Einsatz zu fallen.«
Denser wandte sich an Takyn. »Es sieht so aus, als stündest du kurz davor, niemals Kinder zeugen zu können. Rufe ihn, dann töten wir dich nicht.« Er hielt inne. »Wie konntest du nur diesen Auftrag übernehmen? Bedeuten dir unsere gemeinsamen Jahre in der Ausbildung denn überhaupt nichts?«
»Das ist lange her«, sagte Takyn zwischen gedehnten, schnaufenden Atemzügen. Thraun hütete sich, seinen Griff zu lockern. »Du hast deinen Weg gewählt, und ich den meinen.«
»Aber das hier?«
»Ich muss zugeben, dass ich nie damit gerechnet hätte, auf den Raben angesetzt zu werden, aber man muss auf alles gefasst sein. Du weißt ja, wie es ist. Du hättest auch einen guten Meuchelmörder abgegeben.«
»Wie schmeichelhaft.«
»Denser«, unterbrach ihn der Unbekannte scharf. »Das hilft uns nicht weiter.
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