Die Legenden des Raben 05 - Drachenlord
Familie fortgerissen. Das ist unverzeihlich.«
»Das ist wahr, aber so solltest du es nicht nennen. Gehe bis zur Ursache zurück. Wie ich schon sagte, mich trifft die größere Schuld. Ich bin ein Xeteskianer.«
»Nein, das bist du nicht. Du bist ein Rabenkrieger.«
»Ich habe dem Kolleg jedenfalls lange genug Glauben geschenkt.«
Der Unbekannte drehte sich um und schaute mit versteinertem Gesicht zu ihnen hinauf.
»Ihr helft mir nicht mit euren Einwänden und Bedenken«, sagte er. »Ich habe selbst einen Kopf, und der ist gut in Form. Belasst es dabei.« Damit richtete er den Blick wieder aufs Meer.
»Wo ist Erienne?«, fragte Hirad nach einer unbehaglichen Pause.
»Sie ruht sich aus. Sie arbeitet mit Cleress immer noch an dem Spruch.«
»Wird er funktionieren?«
»Das wollen wir doch hoffen«, sagte Denser. »Wenn nicht, wird es ein sehr kurzer Versuch, die Welt zu retten.«
Hirad kicherte, auch wenn ihm überhaupt nicht nach Lachen zumute war. Densers Bemerkung hatte ihn an Ilkars Ironie erinnert. »Das könnte so oder so passieren.«
»Wieso?«
»Sha-Kaan hat mir vor der Dämmerung seine Gedanken gesendet. Er versucht, mit den Naik zu sprechen.«
»Ah«, machte Denser. Er kratzte sich am sauber gestutzten Bart. »Das wird schwierig.«
»Allerdings. Und wenn ich nichts mehr von ihm höre, bis wir Balaia erreichen, dann können wir davon ausgehen,
dass er tot ist.« Hirad mochte kaum glauben, was er da gesagt hatte.
»Glaubst du, er meinte es ernst, als er sagte, die Drachen sollten uns helfen?«
»Denser, er neigt im Gegensatz zu dir nicht zu dummen Späßen.«
»Ich frag ja nur.«
»Sag mal, Denser«, unterbrach der Unbekannte. »Wie lange kann Erienne diesen Spruch eigentlich halten?«
»Keine Ahnung. Es wird anstrengend, wie alle Sprüche der Einen Magie.«
»Wollt ihr mir mittschiffs Gesellschaft leisten? Wir müssen über unsere Taktik nachdenken.«
Hirad lächelte und bedeutete Denser, als Erster zu gehen. Das war der Unbekannte, den er sich wünschte. Widerstrebend vielleicht, aber mit klarem Kopf. Die drei Männer setzten sich unter dem Hauptmast auf die mit Netzen verzurrten Kisten.
»Ihr wisst ja, worauf ich hinauswill«, fuhr der Unbekannte fort. »Es sieht gut aus, wenn wir unter Eriennes Spruch bessere Chancen haben, aber was ist, wenn sie aus irgendeinem Grund keinen Spruch wirken kann?«
»Tja, dann werden wir keinen einzigen Dämon erledigen können«, sagte Hirad.
»Genau genommen stimmt das nicht«, widersprach der Unbekannte. »Es ist eher die Frage, ob wir sie früh genug aufhalten können, damit Denser sie mit Sprüchen vernichten kann, oder?«
»Das könnten wir leider nicht beliebig lange tun«, wandte Hirad ein.
»Das ist richtig. Allerdings sollten wir davon ausgehen, dass wir es auch nicht unbegrenzt lange tun müssen. Es ist ein Behelf, bis wir Schutz finden oder Erienne wieder
Sprüche wirken kann.« Dem Unbekannten war keineswegs entgangen, wie zynisch Hirad gesprochen hatte. »Ich will es mal so sagen, wenn wir so weit sind, dass Denser unsere einzige wirkungsvolle Waffe darstellt, dann sind wir sowieso schon so gut wie tot.«
»Herzlichen Dank auch«, sagte Denser.
»Du weißt doch, wie ich das meine«, grollte der Unbekannte. »Wir müssen auf Zeit spielen und unsere Bewegungsfreiheit erhalten. Ich hatte eine Idee, wie wir das schaffen können.«
»Und ich dachte, du wärst ausschließlich damit beschäftigt, über deine Familie zu jammern«, sagte Hirad.
Darauf hätte der Unbekannte fast gelächelt. »Nur neunundneunzig Prozent der Zeit. Hole die anderen bis auf Erienne. Auch Auum und Rebraal. Sie sollen für uns die Dämonen spielen.«
Hirad stand auf. »Ich hoffe, deine meisterhafte Taktik erspart uns die Berührung durch Dämonen. Eine einzige ist schon zu viel.«
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht«, sagte der Unbekannte.
»Dieses eine Prozent hatte wohl eine Menge zu tun, was?«
»Ja, Hirad. Vielleicht solltest du das auch mal versuchen. Rebraal sagt, die Elfen seien unantastbar, weil ihre Religion ihnen eine gemeinsame Grundlage gibt, einen Glauben, den alle teilen. Die Wesmen werden anscheinend von den Geistern beschützt, die sie anbeten und verehren. Meiner Ansicht nach sind sie einander in diesem Punkt ähnlich. Es geht darum, dass man zu einer Gemeinschaft gehört, die größer ist als jeder Einzelne. Etwas, das dich mit allen anderen verbindet und dir die Kraft aller anderen schenkt, die so sind wie du.«
»Wundervoll. Ich
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