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Die Legenden des Raben 05 - Drachenlord

Titel: Die Legenden des Raben 05 - Drachenlord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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hättest dir eben einen anderen suchen sollen.«
    »Dann wäre ich eine Dämonensklavin oder tot«, sagte sie. »Da ist mir der Kummer noch lieber.«
    »Da hast du recht.«
    »Ich kann nicht zum Abschied winken. Nicht noch einmal.«
    Der Unbekannte nickte. Er nahm Jonas von seiner Schulter und hielt den Jungen vor sich. Der Kleine sah ihn fragend an.
    »Du musst auf deine Mutter aufpassen, ja?«
    Jonas ernstes Nicken entlockte der trockenen Kehle des Unbekannten, die vom Schlucken wund war, ein Kichern. Er küsste den Jungen auf die Wangen und gab ihn Diera.

    »Lebewohl, Sol«, sagte sie. Wieder flossen ihre Tränen. »Ich liebe dich.«
    »Ich liebe dich auch. Mit jedem Herzschlag«, sagte er. »Verliere nicht die Hoffnung.«
    »Ich will’s versuchen.«
    Er beugte sich hinunter und gab ihr einen langen, sehnsüchtigen Kuss auf den Mund. Ihre Zungen trafen sich kurz, die Leidenschaft erwachte, dann lösten sie sich voneinander. Er trat zurück, streichelte noch einmal ihre Wangen, und dann gab er sich einen Ruck, drehte sich um und lief zum wartenden Beiboot.
     
    Sha-Kaan war sehr lange im Klene geblieben. Er hatte die ungünstigen Umstände verflucht, die den Kaan den Blick auf die balaianische Dimension versperrt hatten. Er wusste aber auch, dass seine Brut im Grunde nicht viel hätte tun können. Die Xeteskianer hatten leichtsinnig mit den Kräften des interdimensionalen Raumes herumgespielt, und jetzt zahlten alle den Preis. Nur selten und unter Schwierigkeiten gelang es noch, Kontakt zu den Drachenmagiern aufzunehmen. Bald würde er völlig abreißen. Die Dämonen wurden mit jedem Tag stärker.
    Er war nicht an die Furcht gewöhnt, die er empfand, als er sich bewusst machte, was er tun musste. Seine Brut drängte ihn, nicht allein zu reisen, doch ihm blieb nichts anderes übrig. Ein Schwarm von Kaan-Drachen wäre als Bedrohung aufgefasst und vernichtet worden. Außerdem konnte er es sich nicht erlauben, die Drachen von der Verteidigung des Brutlandes abzuziehen, solange die Neugeborenen noch so schwach waren.
    Also flog er hoch und allein zum Brutland der Naik, zu seinen grimmigsten Feinden. Er wusste bereits, dass er sich auf die Unterstützung der Veret verlassen konnte. Sie waren
alte Verbündete und besaßen eine Voraussicht, derer sich die Naik gewiss nicht rühmen konnten. Seine größte Angst war, dass die Naik dies als Gelegenheit ansehen würden, die Kaan endgültig zu vernichten, und es war in der Tat eine gute Gelegenheit. Wenn sie dies aber taten, dann verurteilten sie sich auch selbst zum Tode. Die Frage war, ob er sie davon überzeugen konnte.
    Einen Faktor gab es, der ihn ein wenig tröstete. Falls sein Vorhaben scheitern sollte, würden ihm die Feinde nicht lange danach ins Land der Toten folgen.
    Kein Kaan kannte die genaue Position des Brutlandes der Naik, doch alle wussten, in welchem Teil Besharas sie mit Angriffen rechnen mussten. Seine Feuerkanäle waren für alle Fälle gefüllt und geölt. Die Vestare hatten Tage damit zugebracht, Salben und Öl in seine Schuppen und die alten Flugmuskeln zu massieren, um seine Beweglichkeit zu verbessern, und er hatte sich zurechtgelegt, was er sagen musste, um sich genügend Zeit zu erkaufen und wenigstens mit Yasal-Naik, dem Anführer der Brut, reden zu können.
    Als er bereit war, sendete er eine Nachricht an Hirad Coldheart, dass er sich in feindliches Gebiet begeben würde. Dann stieß er durch die Wolken nach oben und bellte laut, um sein Kommen anzukündigen.
    Eine Weile sah er nichts am Himmel. Unter ihm erstreckte sich eine riesige Wüste bis zu fernen, eisengrauen Bergen. Das gewaltige Meer lag weit entfernt zu seiner Rechten, die fruchtbaren Ebenen von Teras waren eine ferne Erinnerung. Als er sie dann sah, kam es ihm vor wie eine Wolke oder ein Sandsturm, der sich dicht über dem Boden zusammenbraute. Die Wolke stieg empor und näherte sich ihm rasch, bis er sechs rostrote Naik-Drachen unterscheiden konnte. Für ihn waren sie alle jung, sie wetteiferten
darin, ihn als Erster zu erreichen, alle voller Wut und Hass.
    Sha-Kaan beobachtete sie und achtete darauf, keinerlei Feindseligkeit auszustrahlen. Er kreiste langsam, zeigte ihnen seine Bauchschuppen, hielt den Hals gerade und die Flügel gestreckt. Ihre Formation beunruhigte ihn. Es war keine Wachformation, sondern die sternförmige Gruppierung für einen Angriff.
    Wieder bellte er, es war ein unterwürfiger Laut, doch sie rasten unverändert weiter und forderten ihn und seine Brut heraus.

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