Die Legenden des Raben 05 - Drachenlord
Der gequälte Schrei des Dämons hallte durch den Saal, mit den Augen suchte er Verbündete.
»Dann antworte mir«, fauchte Heryst mit erhobener Stimme.
»Bald. Es wird bald geschehen.«
»Das reicht mir nicht.«
»Mehr weiß ich nicht. Bitte.«
Kayvels Hand lag flach auf der Brust des Wesens. Es bäumte sich auf und stieß ein gurgelndes Geräusch aus.
»Sage es mir.«
»Du wolltest mich gehen lassen. Bitte.«
»Nachdem du meine Fragen beantwortet hast. Danach. Sprich, solange du noch kannst.«
Der Dämon zuckte und wollte etwas sagen, bekam aber nur ein Krächzen heraus. Abermals wollte er um sein Leben flehen und noch etwas hervorstoßen, während sein Körper zerschmolz und Kayvels Hand tiefer sank. Rauch stieg aus den Wunden auf, der Gestank wurde immer schlimmer. Der Dämon zuckte, spuckte schwarzen Schleim und blieb schließlich still liegen. Seine Augen trübten sich.
»Festhalten«, wies Heryst die Männer an, die ihn niederhielten. »Nicht nachlassen.«
Kayvel löste seinen Spruch auf. Murmeln erhob sich in der Halle, weil die Zuschauer offensichtlich schockiert waren.
»Brutal, was?«, sagte Heryst an die Menge gewandt. »Grausam sogar. Sprecht ruhig, wenn Ihr sprechen wollt.«
Es gab eine Pause, man hörte Füße scharren.
»Ihr hättet ihn nicht töten müssen«, sagte einer.
»Vielleicht hat er ja die Wahrheit gesagt«, stimmte ein anderer zu.
Lauteres Gemurmel folgte der letzten Äußerung, überall nickten Leute.
Heryst biss sich auf die Unterlippe. Dann ging er gemächlich einmal umher und betrachtete die Zuschauer, die in der Sicherheit der Kalträume standen.
»Glaubt Ihr das wirklich?« Er zielte mit dem Finger auf einen Mann. »Du auch? Hm?«
Dann drehte Heryst sich wieder zu Arabelle herum, und sie sah seinen Gesichtsausdruck und die enttäuschten Augen.
»Es ist gemütlich da drinnen, was?« Einige lachten. »Seltsam, nicht wahr? Da drinnen, wo die Dämonen Euch nicht pflücken können wie reife Früchte, müsst Ihr Euch nicht einmal eingestehen, was draußen passiert. Gibt es hier jemanden, der glaubt, er hätte es schlecht getroffen? Ihr habt meine Erlaubnis, jederzeit zu gehen und Euch zu denen zu gesellen, die außerhalb der Mauern leben. Ihr habt den Blick für die Realität verloren, Ihr seid verweichlicht. Selbstgefällig und schwach.
Vielleicht sollte ich ein paar von Euch, die noch nicht dort waren, nach draußen schicken? Nach draußen, wo es nichts gibt außer Angst und der Gewissheit, dass sie Euch eines Tages holen werden. Dort draußen, wo Ihr nur lebt, um den Eindringlingen zu dienen. Wo Ihr jeden Tag auf das Kolleg schaut und Euer Unglück verflucht, während Ihr Euch fragt, warum wir hier sitzen und nichts tun, um Euch zu helfen. Wo Euer Leben buchstäblich in den Händen von Biestern wie diesem hier liegt.
Und Ihr meint, ich sollte gnädig sein? Verdammt sollt
Ihr sein für Eure Schwäche. Wir können es uns nicht erlauben. Der Tag wird kommen, an dem sie versuchen werden, uns alle zu vernichten, und ich werde alles tun, wirklich alles, damit wir überleben.
Zeigt diesen Bastarden gegenüber keine Gnade. Glaubt mir, auch sie werden keine Gnade kennen.«
Er sah sie noch einmal der Reihe nach an.
»Wir sind die Glücklichen. Doch das Glück bringt auch die Verantwortung für das Überleben unserer ganzen Dimension mit sich. Wir haben hart gearbeitet, um das zu erreichen, was wir heute haben, und jetzt wird deutlich, dass wir zu langsam waren. Bald müssen wir kämpfen, und ich werde jeden von Euch, der sich vor seiner Pflicht drücken will, persönlich an die Dämonen verfüttern. Ihr habt gehört, was er gesagt hat. Sie wollen die Herzen erobern. Also müssen wir sie mit aller Kraft verteidigen und denen, die noch genug Kraft haben, genug Zeit verschaffen, um die Dämonen zu besiegen.
Ich hoffe, dass Ihr Angst habt. Ihr solltet auch Angst haben. Das Schicksal Balaias liegt in unseren Händen. Und jetzt verschließt Eure Herzen. Denn wenn Ihr es nicht tut, haben wir schon so gut wie verloren.«
Siebzehntes Kapitel
Als die Calaianische Sonne die Küstengewässer erreichte und langsam durch die Bucht von Gyernath glitt, war nicht viel von dem zu sehen, was über Balaia gekommen war. Die Reise war ruhig verlaufen, doch als sie sich ihrer Heimat näherten, hatten die Rabenkrieger sich oft versammelt, um die Südküste am Horizont zu betrachten und sich zu fragen, was sie dort vorfinden mochten.
Wieder einmal trafen sie sich auf Deck, als die Sonne am
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