Die Legenden des Raben 05 - Drachenlord
über ihre Schulter hinweg. Arabelle hörte Schritte hinter sich und drehte sich um. Ihr Lächeln wurde noch breiter.
»Gut gemacht«, sagte Heryst. »Sehr gut gemacht.«
»Wir haben zwei Männer verloren«, wandte sie ein.
»Ich weiß, ich weiß.« Heryst klopfte ihr auf die Schulter. »Wir wussten, dass diese Gefahr bestand.«
Dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Kreatur und kniete vor ihrem Kopf nieder. Das Wesen wollte zurückweichen, da es seine Aura spürte, konnte sich aber unter dem Gewicht der Männer, die es niederhielten, nicht bewegen.
»Du weißt, wer ich bin.«
»Heryst.« Der Dämon spie den Namen beinahe aus.
»Gut. Dann weißt du auch, dass alles, was ich sage, der Wahrheit entspricht. Wir haben dich gefangen, und du wirst unsere Fragen beantworten.«
»Keine Antworten«, zischte das Wesen.
»Du bemerkst sicher, dass wir im Augenblick noch sehr
großzügig sind«, fuhr Heryst fort, als hätte das Wesen nichts gesagt. »Du befindest dich hier an einem Ort, an dem das Mana fließt. Missverstehe dies nicht als Zeichen der Schwäche. Wo das Mana fließt, können wir Sprüche wirken, und damit können wir dich schwer verletzen. Wir könnten dich auch in einen Kaltraum bringen, wo du langsam stirbst. Glaubst du mir?«
Der Dämon betrachtete ihn schweigend und schloss trotzig den Mund. Dann nickte er ganz leicht.
»Dann glaube mir auch, dass wir dich wieder gehen lassen, wenn du unsere Fragen beantwortest und wir der Ansicht sind, dass du die Wahrheit gesagt hast.«
Der Dämon spie seine Verachtung heraus. Heryst neigte den Kopf.
»Es ist dennoch wahr. Es wäre sinnlos, dich zu töten. Wie viele andere gibt es, die deinen Platz einnehmen könnten? Dennoch, es ist deine Entscheidung. Wie auch immer, du wirst uns antworten.«
»Nichts, was ich dir sage, wird dir helfen, Magier.«
»Dann kann es ja nicht schaden, uns die Wahrheit zu sagen, oder?«
Der Dämon lächelte, die Knorpel in seinem Maul glänzten feucht vor Speichel. »Du wirst nicht wissen, ob ich die Wahrheit sage.«
Heryst beugte sich vor, und sein Tonfall überraschte sogar Arabelle. »Oh doch, das werden wir erkennen. Auch das kannst du glauben.«
Es wurde still in der großen Halle. Am Rand des freien Bereichs sammelten sich die Menschen. Sie wollten einem der Wesen, die so viel Vernichtung und Schmerz über sie gebracht hatten, nicht zu nahe kommen. Inzwischen hatten Schwertkämpfer ihre Posten bezogen, und Magier standen bereit, um jede denkbare Störung von außen sofort zu unterbinden.
Heryst umrundete den gefangenen Dämon, Kayvel war an seiner Seite.
»Nun wollen wir beginnen«, sagte er. »Ich lasse dich selbst entscheiden. Du kannst meine erste Frage wahrheitsgemäß beantworten, oder ich bitte meinen Kollegen, dir zu zeigen, welche Schmerzen schon ein winziger Spruch in deinem Körper auslösen kann. Wie entscheidest du dich?«
Der Dämon zögerte einen Moment. »Frage.«
»Wir wissen bereits, warum ihr hier seid. Nun wollen wir wissen, warum ihr die Kollegien in Ruhe gelassen habt.«
»Nicht alle. Dordover ist gefallen.«
Falls Heryst erschüttert war, so ließ er sich nichts anmerken. »Aber wir sind noch da. Ebenso Julatsa und Xetesk. Warum greift ihr nicht weiter an?«
»Das ist nicht nötig. Ihr stellt keine Bedrohung dar.«
»Aber eines Tages wollt ihr uns doch sicher angreifen, oder?«
»Sobald wir so stark sind, dass ihr uns nicht zurückwerfen könnt. Wir haben Zeit, ihr nicht.«
»Ah, wirklich?« Heryst umkreiste abermals den Dämon, der jeden Schritt beobachtete, und machte kein Hehl aus seinem Misstrauen. »Wir konnten von unseren Freunden einige interessante Dinge erfahren, die das bestätigen, was wir selbst herausgefunden haben. Wir glauben, ihr habt euch verrechnet. Wir glauben, eure Heimat stirbt, und ihr wurdet gezwungen, hierher auszuweichen. Wir glauben, ihr werdet uns nie besiegen können, weil ihr nicht genügend Mana herüberschaffen könnt, ehe eure alte Heimat verloren ist. Wir glauben, ihr habt Angst.«
»Alles Lüge. Wir fürchten niemanden. Balaia wird uns gehören.«
»Wirklich, mein Feind?« Heryst baute sich vor dem Dämon auf. »Trifft es denn nicht zu, dass ihr, um eure Eroberung
zu vollenden, schon längst unsere Herzen kontrollieren müsstet, dass ihr aber nicht stark genug dazu seid?«
»Ich habe genug Fragen beantwortet.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Heryst. »Sage mir, ist es wahr, dass ihr niemals hoffen könnt, Balaias Magier zu besiegen?«
Der Dämon
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