Die Legenden des Raben 06 - Heldensturz
über das Gelände, durch die Gärten und die Gebäude beendet hatte, die er noch kontrollierte, kehrte er in sein Schlafgemach zurück und setzte sich zu Luke. Der junge Mann starrte blicklos die Decke an, während der Baron sprach.
»Wie war noch deine Einschätzung? Es könnte schlimmer sein? Das trifft es ungefähr. Wir haben noch genügend Magier, die sich ablösen können. Wir haben einen sicheren Bereich, in dem sie ihr Mana auffrischen können, und wir haben Zugang zu Essen und Wasser. Letzteres unbeschränkt, Nahrung haben wir noch für mindestens vierzig Tage. Eigentlich wäre es weniger, aber ich fürchte, unsere Verluste waren hoch. Wir müssten den Schutzschirm auf die ganze Burg ausdehnen, aber wenn wir ehrlich sind, reicht es für kaum mehr als die Küche, die Ställe, die Zimmer im Erdgeschoss und den Festsaal. Wir sollten wohl auch die Krankenstation verlegen. Wenn wir das tun, können wir meiner Ansicht nach aushalten, bis uns die Nahrung ausgeht. Wir sind immer noch stark, und wir haben unsere Hoffnung. Nur ausbrechen können wir nicht, dazu sind wir nicht genug. Jedenfalls nehme ich es an. Es wäre mir wichtig gewesen, deine Meinung zu hören und vor allem auch deine Zuversicht zu sehen. Es tut mir leid, dass ich dich allein gelassen habe, Luke. Ich bin bekümmert, weil ich nun ebenfalls allein bin.«
Blackthorne drückte Lukes Augen zu, dann drehte er sich zu dem Sergeant und den Heilern um, die er heraufgeholt hatte und die hier gestorben waren.
»Ich bin den Tränen nahe, aber ich kann nicht weinen. Galt diese Ansprache mir oder ihm? Er hatte so eine prächtige Seele, die mich gesättigt hat.«
»Sein Name war Luke, und meine Worte waren an uns alle gerichtet.« Blackthorne erhob sich.
»Glaubst du das wirklich? Tatsächlich?« Ferouc löste sich aus den Schatten. Er hatte die Flügel auf dem Rücken zusammengefaltet, seine Farbe war ein sattes, entspanntes Dunkelgrün. »Oder habe ich dich endlich überzeugt, dass dieser vergebliche Kampf aufhören muss?«
»Es ist schon seltsam. Hättest du mich dies da draußen gefragt«, Blackthorne deutete zum geborstenen Fensterladen, »dann wäre ich vielleicht sogar geneigt gewesen, dir zuzustimmen. Jetzt aber hast du den Falschen getötet, und daher werde ich bis zum letzten Atemzug kämpfen. Findest du das nicht seltsam, Fummler? Zu sehen, was uns Menschen antreibt?«
Feroucs Farbe flackerte und wurde vorübergehend erheblich heller. Klickend verflocht er seine Finger.
»Vorsicht mit deinen Beleidigungen, Baron Blackthorne. Du bist unbewaffnet.«
»Und du bist innerhalb meines Schutzschirms. Schwach und verletzlich.« Blackthorne näherte sich dem Dämon. »Möchtest du gerne herausfinden, wer hier der Stärkere ist?«
»Eine flüchtige Berührung reicht aus, Mensch.«
»Glaubst du wirklich, ich fiele dir so leicht in die Hände?« Blackthorne hatte keinerlei Angst vor dem Wesen. So mächtig es auch war, er empfand nur verhaltene Wut und Entschlossenheit. Daraus schöpfte er Mut, und dies verband ihn mit allen anderen Menschen und Frauen in ganz Balaia, die ähnlich empfanden. Es war die beste Verteidigung. »Ich bin Baron Blackthorne. Mich beherrscht niemand. Niemand nimmt mir das, was mich ausmacht.«
Ferouc klatschte in die Hände und legte sie an die Kehle. Er stieß ein trockenes Knacken aus, das wohl Gelächter sein sollte.
»Schade für Balaia, dass nicht alle Menschen so stark sind. Dennoch, auch du kannst besiegt werden. Besiegt und gebrochen.«
Blackthorne sah die Seelenfresser durch den verzogenen Fensterrahmen hereinfliegen. Es waren drei.
»Wir haben gesiegt, Baron Blackthorne. Unsere Kraft
ist jetzt so groß, dass wir euch auch innerhalb der Schutzhülle bezwingen können. Aber glaube mir, die Unterwerfung ist schmerzlos.«
Blackthorne riss den Dolch aus der Scheide und zog ihn mit der Rückhand dem ersten Wesen durch die Kehle. Der Dämon stürzte zu Boden und starb sofort. Blackthorne nutzte den freien Raum und bewegte sich zur Tür. Dankbar nahm er Feroucs Überraschung zur Kenntnis. Wieder wechselte die Farbe des Dämons.
»Jeder Baron hat Feinde, Fummler, und kein Baron ist jemals unbewaffnet. Wir werden siegen. Der Rabe und die Elfen werden dich bezwingen, und du wirst sterben, ohne meine Burg eingenommen und meine Seele gekostet zu haben.«
Immer drei Stufen auf einmal nehmend, rannte er die Treppe hinunter und rief nach seinen Wachen.
Wütendes Bellen ertönte am Himmel über Beshara und zerstörte die
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