Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)
Schankmagd zwischen hier und den Bergen schwatzt!«
»Ich habe kein Wort zu der Schankmagd gesagt«, hob ich in gekränktem Ton hervor, während ich mir die Stelle am Kopf rieb, an der mich sein schwerer Siegelring getroffen hatte. »Kein einziges Wort. Und zu der Wirtin war ich nur höflich.«
Der Magus hob die Hand, um mich noch einmal zu schlagen, aber ich lehnte mich außer Reichweite. »Deine Höflichkeit«, blaffte er, »kannst du für dich behalten. Du sprichst mit niemandem, verstanden?«
»Ist ja gut! Bekomme ich jetzt mein Essen zurück?«
Nein. Ich bekam es nicht. Der Magus sagte, wir würden es später essen. Ich schmollte die nächste Stunde über. Ich sah meinen Sattel an und ignorierte die vorbeiziehende Landschaft – Zwiebeln hatte ich schließlich schon genug gesehen –, bis wir an einem Feld vorbeikamen, das gerade abgeerntet wurde. Der süße, durchdringende Geruch weckte meinen Magen. Ich setzte mich aufrecht hin und sah mich um. »He«, rief ich dem Magus zu, »ich habe Hunger!«
Er ignorierte mich, aber ich beschloss, nicht länger zu schmollen. Das würde mir kein vorgezogenes Mittagessen verschaffen, und mein Nacken schmerzte, da ich über den Sattel gebeugt gesessen hatte. Ich zog eine der Orangen aus der Tasche und begann sie zu schälen. Die Schale ließ ich auf die Straße fallen. Vor der Stadt hatte ich mich wie ein Käfer gefühlt, der in der Mitte eines Tischtuchs festsaß. Nun schloss sich die Welt auf tröstliche Weise wieder um mich. Die Straße stieg langsam an und senkte sich dann und wann in eine Niederung, während wir die Hügel hinaufritten, die den Bergen im Süden des Landes vorgelagert waren. Die Felder waren hier kleiner und von Olivenbäumen umgeben, die auch dort wuchsen, wo andere Nutzpflanzen nicht gediehen. Die einzelnen Olivenhaine verschwammen zu einem unterschiedslosen Wald in Silber und Grau. Ich fragte mich, woher die Besitzer wussten, wo ihr Land endete und das eines anderen begann.
Zu meiner Linken fragte Sophos: »War es wirklich nicht so schlimm?«
»Was?«
»Das Gefängnis.«
Ich erinnerte mich an meine an die Wirtin gerichtete Bemerkung. Ich musterte Sophos einen Moment lang, wie er bequem auf dem Rücken seiner wohlerzogenen Stute dahinritt.
»Dieses Gefängnis«, sagte ich dann aufrichtig und aus tiefstem Herzen, »war wirklich das Allerschrecklichste, was mir in meinem ganzen Leben zugestoßen ist.«
Die Art, wie er mich ansah, verriet mir, dass er davon ausging, dass mein Leben mit einem schrecklichen Erlebnis nach dem anderen angefüllt gewesen sein musste.
»Oh«, sagte er und trieb sein Pferd in eine etwas schnellere Gangart, um den Abstand zwischen uns zu vergrößern.
Pol ritt weiterhin hinter mir. Ich sah ihn über die Schulter an und erhielt einen undurchdringlichen Blick zur Antwort. Ich aß meine Orange und lauschte dem Gespräch zwischen dem Magus, Sophos und Ambiades. Er stellte ihnen Fragen. So verlangte er etwa von Sophos, ihm die Klassifikation eines Eukalyptusbaums aufzusagen. Sophos verbreiterte sich über dieses und jenes und die Frage, ob der Baum Früchte trug. Das meiste von dem, was er sagte, konnte ich nicht hören, aber er schien die richtige Antwort gegeben zu haben, denn der Magus sagte ihm, dass er zufrieden sei. Ambiades hatte mit dem Olivenbaum größere Schwierigkeiten, und der Magus war nicht zufrieden. Ambiades lenkte sein Pferd vom Magus weg, und ich begriff, dass Kopfnüsse mit dem Siegelring nichts Ungewöhnliches waren. Der Magus fragte Sophos nach der richtigen Antwort, und Sophos gab sie.
»Sophos scheint aufgepasst zu haben, Ambiades. Möchtest du raten, warum diese Art der Klassifikation wichtig ist?«
»Lieber nicht«, sagte Ambiades.
»Tu es dennoch«, erwiderte der Magus.
»Oh, ich nehme an, damit man weiß, welche Bäume wohin gepflanzt werden sollten.«
»Fahr fort.«
Aber Ambiades fiel sonst nichts ein.
Sophos versuchte, ihm beizuspringen. »Wenn man einen neuen Baum finden würde, könnte man vielleicht feststellen, ob man seine Früchte essen kann, wenn man wüsste, dass er genau wie ein Olivenbaum ist?«
»Wenn er genau wie ein Olivenbaum wäre, dann wäre er einer!«, knurrte Ambiades.
Ich verlagerte all mein Gewicht auf einen Steigbügel und beugte mich vor. Ich wollte einen Blick auf Sophos’ Gesicht erhaschen, um zu sehen, ob er errötete. Das tat er.
»Aber wenn du einen Olivenbaum nicht klassifizieren kannst«, hob der Magus hervor, »dann würdest du ihn natürlich
Weitere Kostenlose Bücher