Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)
schwang er die Beine aus dem Bett und stieß mich beiseite, um auf dem Boden Platz für seine Füße zu schaffen.
»Hoch mit euch«, knurrte er den beiden im anderen Bett zu.
Ambiades schälte sich aus den Laken und kroch aus dem Bett. Gähnend tappte er zu dem Stuhl, auf dem die Kleider der übrigen aufgehäuft lagen. Ich hatte in meinen geschlafen. Sophos rührte sich nicht. Ich setzte mich auf und warf einen Blick über die Bettkante. Seine Augenlider hätten genauso gut zugeklebt sein können.
»Psst!«, zischte Ambiades, aber es war zu spät. Pol langte über mich hinweg und weckte Sophos so wirkungsvoll, wie er mich am Vortag nach dem Mittagessen geweckt hatte, aber zumindest landete Sophos auf einem weichen Bett. Sobald alle wach waren, gingen wir nach draußen zum Abtritt und wuschen uns dann an der Pumpe. Die Sonne ging gerade über den Hügeln auf, der Himmel war blau und klar und die Senke, in der die Stadt lag, noch dunkel. Das Wasser war kalt, aber ich war der einzige, der sich beschwerte. Ich drohte Pol, dass ich ihn beißen würde, wenn er wieder versuchen sollte, mich zu waschen.
»Wahrscheinlich überträgt er Krankheiten«, warnte Ambiades und verhöhnte mich so in einem Tonfall, der einen kleinen Hauch verachtungsvoller als der war, den er bei Sophos gebrauchte.
Pol reichte mir wortlos einen Waschlappen und sah zu, wie ich mir den letzten Gefängnisschmutz von den Ellbogen und Knöcheln und vom Nacken schrubbte. Die Seife des Magus duftete nach Geißblatt.
Im Gasthaus erwartete uns unser Frühstück: Haferbrei und Joghurt. Diesmal gab es keine Orangen.
»Was war das heute Morgen für ein Poltern?«, fragte der Magus Pol, als wir uns hinsetzten, und sah dabei mich an.
»Der da«, antwortete der Soldat und deutete mit dem Löffel auf Sophos, »würde noch über Kanonendonner hinwegschlafen. Irgendwann einmal wird ein Morgen kommen, an dem er nicht aufwacht, bis jemand ihn mit dem Langspeer aufspießt.«
Sophos wurde rot.
»Ein leichter Schlaf ist für einen Soldaten eine notwendige Tugend«, erklärte der Magus ihm, »und auch bei keinem anderen eine Untugend.«
»Wer will denn schon Soldat sein?«, knurrte Sophos an seinen Haferbrei gewandt.
»Ich nicht«, sagte ich. Alle anderen am Tisch sahen mich überrascht an, als hätten sie vergessen, dass ich sprechen konnte.
»Wer hat dich denn gefragt?«, erwiderte Ambiades hämisch.
»Er, du Flaumbart.« Ich wies mit dem Löffel auf Sophos, während Ambiades’ Hand zu seinem Gesicht hochschoss.
Er riss sie wieder herunter und fragte: »Was weiß Abschaum aus der Gosse schon über das Soldatendasein?«
»Da ich kein Abschaum aus der Gosse bin, kann ich das nicht beurteilen. Aber mein Vater ist Soldat, und das ist ein blutiger, undankbarer, unnützer Beruf für Leute, die zu dumm und zu hässlich sind, irgendetwas anderes zu tun.« Obwohl mein Vater und ich einander mit der Zeit ein wenig mehr schätzen gelernt haben, halte ich immer noch nicht viel von dem Beruf, den er sich ausgesucht hat, aber das hätte ich damals wahrscheinlich nicht erwähnen sollen. Das Ausmaß meines Taktgefühls erstaunt manchmal sogar mich selbst.
Am Tisch herrschte bleiernes Schweigen, während wir alle zu Pol hinübersahen, um festzustellen, was er von dieser Beleidigung seiner Intelligenz und auch seines Auftretens halten würde. Er blieb ungerührt, aber der Magus teilte mir mit, dass ich in Zukunft Äußerungen ignorieren könnte, die nicht an mich gerichtet waren, und den Mund halten sollte, wenn ich nicht direkt angesprochen wurde. Ich besann mich darauf, dass ich als nützliches Werkzeug und nicht etwa als menschliches Wesen mitgenommen worden war.
Ich aß stumm mein Frühstück. Als der Magus aufstand und sagte: »Wir sollten die Pferde bereitmachen«, starrte ich weiter meine leere Haferbreischüssel an, bis er mir einen Schlag auf den Hinterkopf versetzte.
»Was?«, fragte ich. »Habt Ihr ausdrücklich mit mir gesprochen? Ich dachte, ich sollte ignorieren, was …«
»Ich habe eine Reitpeitsche in der Satteltasche«, sagte er. »Willst du, dass ich sie bei dir zum Einsatz bringe?« Er stand über mich gebeugt und sprach mit gesenkter Stimme. Ich bin mir nicht sicher, ob irgendjemand sonst etwas hörte, aber ich verstand ihn sehr wohl. Ich schwang ein Bein über die Bank und stand auf.
»Nach Euch«, sagte ich.
Mehrere zusätzliche Pakete gesellten sich zu unserem Gepäck, bevor wir von dem Gasthaus wegritten. Während Ambiades, Sophos und ich
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