Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)
lautete. Ich wusste nicht, was ihn so verärgert hatte, und so richtete ich den verständnislosen Blick auf meine Haferbreischüssel.
Ein paar Minuten später erschien das Mädchen von der Theke mit Frühstücksnachschub für alle und einem Stück Zwirn, mit dem ich mir die Haare zusammenbinden konnte. Im Davongehen warf sie einen Blick auf Nichtsnutz den Älteren und rümpfte verächtlich die Nase; damit hatte ich eine Erklärung für den finsteren Blick. Da hatte ich mir keinen Freund geschaffen – aber ich war auch nicht in Gesellschaft dieser Leute, um Freunde zu gewinnen, und außerdem grinste er zu oft hämisch. Meiner Erfahrung nach grinsen Leute, die hämisch grinsen, meist über mich.
Der Magus, Pol und Sophos, der jüngere Nichtsnutz, waren vollauf mit ihrem Frühstück beschäftigt.
»Sie sieht nach einem netten Mädchen aus«, sagte ich und bekam böse Blicke von Ambiades und seinem Herrn ab. Der Magus konnte nicht von der Schankmagd abgewiesen worden sein, und so nahm ich an, dass er nicht wollte, dass ich seinen Lehrling reizte.
»Sehr freundlich«, fügte ich obendrein noch hinzu, bevor ich mich auf meine zweite große Schale Haferbrei stürzte. Er war etwas zerkocht, aber es gab Butter und Honig obenauf. Daneben stand eine Schüssel mit Joghurt, und ich aß auch den. Sophos hatte eine kleinere Schale, und als der Magus nicht hinsah, stibitzte ich sie unter seinem erhobenen Löffel hervor und tauschte sie gegen meine leere aus. Er sah verblüfft drein, und Ambiades unterdrückte ein verächtliches Auflachen, aber keiner der beiden beschwerte sich beim Magus. In der Mitte des Tisches stand eine weitere große Schüssel, die Orangen enthielt, und ich griff gerade danach, als ich den finsteren Blick des Magus bemerkte.
»Ich habe Hunger«, verteidigte ich mich und nahm drei. Zwei steckte ich in die Taschen der Tunika, die dritte schälte ich und war gerade damit beschäftigt, sie zu essen, als die Wirtin erschien.
Ich schenkte ihr mein schönstes jungenhaftes Grinsen. »Sauber sehe ich doch ganz gut aus, oder?«, fragte ich.
Sie erwiderte mein Lächeln. »Ja, das tust du. Wo bist du so schmutzig geworden?«
»Im Gefängnis«, antwortete ich.
»Ah«, sagte sie. Es wurden ständig Leute ins Gefängnis geworfen. »Ich nehme an, du freust dich, wieder frei zu sein.«
»Ja, verehrte Dame, besonders, weil das Essen so gut ist.«
Sie lachte und wandte sich wieder dem Magus zu, der grimmig dreinblickte. »Benötigt Ihr sonst noch etwas, mein Herr?«
»Nein, danke. Wir rasten zum Mittagessen in Evisa.«
Abgesehen vom Magus und mir gingen alle daran, die Pferde zu beladen. Wir beide blieben am Tisch sitzen, bis Pol Sophos hereinschickte, um uns mitzuteilen, dass alles bereit war. Auf dem Hof gab es einen Trittstein, und so konnte ich allein aufs Pferd steigen, obwohl Pol es am Kopf festhielt; Sophos hielt mir den Steigbügel und gab gute Ratschläge.
»Du brauchst dich nicht so in den Sattel zu schieben«, sagte er. »Sie wird sich nicht von unter dir wegbewegen.«
»Sie könnte es aber tun«, erwiderte ich verkniffen.
Als wir vom Hof ritten, trat die Wirtin mit einem in eine Serviette eingeschlagenen Bündel aus der Vordertür des Gasthauses. Sie reckte die Hand, um mein Pferd zu zügeln, was sehr furchtlos von ihr war, doch sie schien es nicht für etwas Ungewöhnliches zu halten.
»Ein bisschen was zu essen für unterwegs. Der Weg nach Evisa ist lang.« Sie reichte mir das Bündel hinauf und fügte dabei hinzu: »Mein Jüngster sitzt da unten im Gefängnis.«
»Oh«, sagte ich, war aber nicht überrascht. Wahrscheinlich hatten sie den Steuereintreiber nicht großzügig genug bestochen. »Macht Euch nicht zu viele Sorgen«, setzte ich hinzu, während der Magus schon mein Pferd mitzerrte. »So schlimm ist es da nicht.« Ich vergaß mich so weit, dass ich ihr ein echtes Lächeln schenkte, ersetzte es aber durch ein Grinsen, als ich sah, wie sich ihr Gesicht aufhellte.
»Was für eine Lüge!«, flüsterte ich, als wir das Gasthaus hinter uns zurückließen.
Die Straße wand sich endlos zwischen Reihen von Olivenbäumen dahin. Sobald wir außer Sichtweite waren, zügelte der Magus sein Pferd und meines. Er beugte sich über seinen Sattel, versetzte mir eine Kopfnuss und riss mir dann das Bündel mit dem Proviant weg, das ich an einer zweckdienlichen Schnalle des Sattels aufgehängt hatte.
»He!«, schrie ich empört. »Das war für mich!«
»Ich kann es nicht gebrauchen, dass du mit jeder
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