Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)
Attolia hinuntergelangen.«
»Sie waren feige und wussten, dass sie in ihren Bergen sicher waren«, sagte Ambiades und gab damit selbstbewusst eine Einschätzung wieder, die die meisten Sounisier teilten.
»Warum hätten sie Sounis durchlassen sollen, wenn das dem Handel geschadet hätte?«, fragte ich und vergaß, dass mir ein Tadel drohte, wenn ich mich in die Gespräche Höhergestellter einmischte.
Sogar Sophos kannte die Antwort darauf. »Weil die Attolier gelogen hatten. Als die Eroberer einfielen, ließ Eddis zu, dass die Attolier eine Armee über den Pass führten, angeblich, um auf unserer Seite zu kämpfen, aber stattdessen half diese Armee den Eroberern bei der Belagerung von Solonis, uns zu überrennen.«
»Also wollte Sounis nach so langer Zeit noch Rache?« Es kam mir übertrieben vor, mehrere hundert Jahre lang solch einen Groll zu hegen.
»Die meisten Leute finden es äußerst unangenehm, ihre Freiheit zu verlieren, Gen«, sagte der Magus trocken. Die Bemerkung war zu hoch für Sophos, aber Ambiades lachte.
Ich sagte: »Ja, aber Eddis wurde nicht überrannt, nicht wahr? Die Eroberer haben es nie besetzt?«
»Nein«, sagte der Magus. »Die Eroberer haben am Ende Attolia genauso überrannt wie Sounis, aber die Herrschaft in Eddis ist nie auf Druck einer äußeren Macht hin in andere Hände übergegangen.« Das war das Ende des Gesprächs und des Mittagessens. Wir machten uns an den weiteren Aufstieg.
Das Zwielicht brach in der tiefen Schlucht des Bachbetts gnädig früh an. Wir wurden langsamer, sobald wir nicht mehr genug sehen konnten, um unsere Füße trittsicher zu setzen. Pol half mir voran, und ich musste mich auch auf Ambiades stützen. Am Ende gelangten wir zu einem breiteren Stück des Weges und einem flachen Absatz, der schon vielen Reisenden als Lagerplatz gedient hatte. Jemand hatte an der Wand der Schlucht eine Feuerstelle aus Steinen gebaut, und der Granit darüber war von vielen Feuern geschwärzt.
Nach dem Abendessen, als unser Bettzeug hinter uns auf dem Boden ausgebreitet war, saßen wir ums Feuer, und Ambiades fragte noch einmal, warum wir in Eddis wären. Der Magus antwortete mit einer weiteren Frage, die Ambiades geduldig beantwortete; offensichtlich war er an diese Reaktion auf seine Neugier gewohnt.
»Was weißt du über die Nachfolgeregelung in Eddis?«
»Nun ja, sie haben eine Königin, wie Attolia, also wird der Thron wohl nicht nur in männlicher Linie vererbt. Ich nehme an, dass die Herrschaft von einem Elternteil aufs Kind übergeht, genau wie in Sounis.«
»Und weißt du, ob das stets so war?«
Ambiades zuckte mit den Schultern. »Seit den Eroberern.«
»Und vorher?«
»Sprecht Ihr von Hamiathes’ Gabe?« Ambiades durchschaute die Frage rasch.
»Das tue ich«, sagte der Magus und wandte sich Sophos zu. »Weißt du etwas über die Gabe?« Sophos wusste nichts, und so setzte der Magus zu einer Erklärung an.
»Das ist kein Wunder. Sounis und Attolia bekehrten sich vor langer Zeit zur Religion der Eroberer, und wir beten ihre Götter in der Basilika in der Stadt an, aber einst verehrten wir alle die Götter des Berglands, ein beinahe unendlich großes Pantheon mit einer Gottheit für jede Quelle, jeden Fluss, jeden Berg und jeden Wald. Aber es gibt einen übergeordneten Kreis mächtigerer Götter, dem Hephestia vorsteht, die Göttin des Feuers und der Blitze. Sie herrscht über alle Götter, bis auf ihre Mutter, die Erde, und ihren Vater, den Himmel. Der Sage nach hat die Herrschaft über Eddis ihren Ursprung darin, dass Hephestia einen König namens Hamiathes mit einem Stein belohnte, der ins Wasser der Unsterblichkeit getaucht worden war. Der Stein bewahrte seinen Träger vor dem Tod, aber am Ende seiner natürlichen Lebensspanne gab der König den Stein an seinen Sohn weiter und starb. Der Sohn gab ihn am Ende an seinen Sohn weiter, und der Besitz des Steins wurde allmählich mit dem Recht gleichgesetzt, über das Land zu herrschen. Als ein Usurpator den Stein stahl und kurz darauf starb, gelangte man zu der Erkenntnis, dass die Macht des Steins verloren ging, wenn er seinem Träger nicht übergeben wurde, und daraus erwuchs eine Tradition, die es dem Thron von Eddis erlaubte, friedlich weitergegeben zu werden, während in jedem anderen Land darum ein Bürgerkrieg entbrannt wäre: Eine Person stahl den Stein, überreichte ihn dem Kandidaten, den sie erwählt hatte, und machte ihn auf diese Weise zum rechtmäßigen König.«
»Aber das ist doch nur ein
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