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Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Titel: Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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anderes als ein Werkzeug halten, Gen. Wenn ein Schwert gut geschmiedet ist, gilt das Lob dann dem Schmied oder seinem Hammer? Wie viel schlauer als ein Hammer bist du wohl, wenn du den Beweis für deine Verbrechen in einer Weinschenke herumzeigst?« Ich wurde rot, und er lachte. Wenn ich nicht schon zornig gewesen wäre, wäre sein Lachen mir vielleicht nicht einmal unfreundlich erschienen.
    »Was würdest du tun, wenn du der Dieb des Königs wärst, Gen? In Anwesenheit des Königs mit offenem Mund kauen? Mit den Hofdamen plaudern und dabei das H am Wortanfang auslassen und die meisten Wortenden nuscheln? Alles an dir verrät deine niedere Herkunft. Du würdest dich bei Hofe niemals wohlfühlen.«
    »Ich wäre berühmt .«
    »Oh, das bist du schon, Gen«, sagte er mitleidig.
    Ich hätte mich amüsiert, wenn Ambiades’ hämisches Kichern nicht an einen wunden Punkt gerührt hätte. Ich wechselte das Gesprächsthema. »Und Sounis vertraut darauf, dass Ihr ihm den Stein bringt?«
    »Natürlich«, blaffte der Magus. Nun hatte ich einen wunden Punkt berührt. Er hatte selbst dafür gesorgt, dass Sounis ihm vertrauen musste, indem er alle Aufzeichnungen zerstört hatte, so dass kein anderer den Stein aufspüren konnte.
    »Seid Ihr sicher?«, stichelte ich. »Vielleicht ist das ja der Grund dafür, dass Pol dabei ist. Vielleicht seid Ihr derjenige, der ein Messer in den Rücken bekommen wird.« Seine Augenbrauen zogen sich über der Nase zusammen. Nun war er wirklich wütend.
    »Sei nicht so töricht«, sagte er.
    »Und warum sollte Sounis auch noch König von Eddis werden? Er hat doch schon ein Land«, sagte ich. »Alles, was sie da oben haben« – ich deutete auf die Berge hinter mir – »sind Bäume. Viele Bäume. Will er Schiffe bauen?«
    »Nein«, erklärte der Magus, der sich darauf besann, dass ich es kaum wert war, dass er sich über mich ärgerte. »Er will die Königin.«
    Mir sackte in offensichtlichem Unglauben die Kinnlade herunter. »Wir tun das hier, damit er …«
    »… heiraten kann«, sagte der Magus. »Eddis hat ihn bisher abgewiesen, aber das wird sie nicht länger tun können, wenn er beweisen kann, dass er der rechtmäßige Herrscher ihres Landes ist. Wir haben sie vorgewarnt, dass sich bei seinem nächsten Antrag Hamiathes’ Gabe in seinem Besitz befinden wird.« Und darum hockten wir alle hier im Dunkeln – um zu holen, was er schon zu überbringen versprochen hatte.
    »Was, wenn keiner mehr an Hamiathes’ alberne Gabe glaubt?«, fragte ich. »Was, wenn wir sie finden und alle nur ›Na und?‹ sagen?«
    »Eddis sitzt nicht so sicher auf ihrem Thron, dass sie das Risiko eingehen kann, die Götter ihres Volkes zu beleidigen. Das könnte keine Frau.«
    Ich starrte in die Flammen. Eine Weile war es ruhig ums Lagerfeuer. »Er will nicht die Königin«, sagte ich am Ende; die Wahrheit drängte aus mir hervor. »Er will noch nicht einmal das Land. Er will den Pass durch die Berge, so dass er in Attolia einfallen kann.«
    Pol und Ambiades nickten jenseits des Feuers. Für jeden, der Sounis kannte, ergab diese Erklärung mehr Sinn als die, die der Magus gegeben hatte.
    Der Magus zuckte mit den Schultern. »Warum er die Gabe will, ist nicht von Bedeutung – wichtig ist nur, dass wir sie holen. Und jetzt solltest du dich besser etwas ausruhen.«
    Wie ein gutes Werkzeug – wie ein sehr braver Hammer, zum Beispiel – streckte ich mich am Feuer aus und schlief ein.
     
    Am nächsten Morgen drang das Licht nur langsam in die Schlucht, und ich war gut ausgeruht, als unser Tag begann, aber das Gespräch vom Vorabend machte mir noch immer zu schaffen, und ich achtete darauf, beim Frühstück mit offenem Mund zu kauen, bis der Magus das Gesicht verzog und den Blick abwandte. Die Schlucht wurde breiter, und die Olivenbäume verschwanden. Wir kamen an Holunder, Floh-Knöterich- und Aurikelbüscheln und der ein oder anderen Tanne vorbei, während die Steinklippen steilen, geröllbedeckten Bergflanken wichen. Gegen Abend verbreiterte sich die Schlucht schließlich noch mehr, und wir gelangten in ein schmales, baumbestandenes Tal. Der Pfad unter unseren Füßen wurde von hartem Gestein zu Erde und dann zu mit Kiefernnadeln bedecktem Boden. Wir verursachten kein Geräusch, während wir aus dem Tal in einen noch ausgedehnteren Wald hinaufstiegen, der sich unendlich vor uns ausdehnte.
    »Ich habe Euch doch gesagt, dass es hier oben nichts als Bäume gibt«, bemerkte ich, während ich mich umdrehte, um den

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