Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition)
Gastfreundschaft ein bedauerliches Unglück gewesen sei. »Mein König«, sagte er betrübt, »Hanaktos behauptet, dass die Männer Eures Vaters als Erste angegriffen haben.«
»Weil Hanaktos vorhatte, sie alle zu töten!«, entgegnete ich.
»Vielleicht war das alles ein Irrtum, mein König?«, sagte Brimedius.
Ich glaube, mein Gesicht machte deutlich, was ich davon hielt. »Und meine Entführung?«, fragte ich spitz.
Brimedius nickte entschuldigend. »Dafür müssen wir Euch um Verzeihung bitten. Es war nicht unsere Absicht, einer derart zerstörerischen Auseinandersetzung Vorschub zu leisten, und schon gar nicht, der Person Eurer Majestät eine so arge Kränkung zuzufügen. Wir hofften, Euch ein wenig früher zum König zu machen, das ist alles.«
»Nun, zumindest das ist Euch ja gelungen«, sagte ich.
Brimedius war schwer enttäuscht von mir. Ich erwiderte stur seinen Blick, so aufsässig wie nur je, wenn ich mit der Enttäuschung eines anderen konfrontiert worden war.
»Ich würde gern meine Mutter und meine Schwestern treffen«, sagte ich, aber anscheinend sollte mir das noch nicht gestattet werden.
»Vielleicht morgen früh«, sagte Akretenesh.
Brimedius wehrte meinen Protest ab, indem er eilig fragte, ob ich mit meinem Kammerherrn zufrieden wäre; ich sagte, dass er gut geschult sei, dass ich aber meine Papiere zurückwollte. Der Baron überließ die Entscheidung Akretenesh, der nein sagte. Ich schmollte.
Gegen Ende der Mahlzeit zog der Meder ein gefaltetes, abgegriffenes Stück Pergament hervor. Ich setzte mich auf. Es war dein Brief.
»Steht Ihr zu Eurem Wort, Euer Majestät?«
»Genug, um gekränkt zu sein, dass Ihr diese Frage überhaupt stellt, Gesandter«, sagte ich zornig.
Er faltete das Pergament auseinander. »Ich habe dies hier mehrfach gelesen.« Er strich es auf dem Tisch zwischen uns glatt, sah zu mir hoch und behielt mein Gesicht im Auge. »Es handelt sich allem Anschein nach um persönliche Korrespondenz zwischen Euch und … jemandem, der Euch schätzt.«
»Sie ist die Königin von Eddis«, sagte ich steif, verärgert über seinen abschätzigen Tonfall.
»Ich möchte Euch nicht kränken«, erklärte er. »Im Gegenteil. Es widerstrebt mir, etwas Persönliches Eurem Zugriff zu entziehen. Ich würde Euch dies nicht eher vorenthalten als irgendeinen anderen Gegenstand aus Eurem Besitz. Ihr habt hoffentlich bemerkt, dass wir keinen Versuch machen, Euch Eure Habseligkeiten abzunehmen, noch nicht einmal Eure Waffen. Ich bin überzeugt, dass wir mit der Zeit unsere Fehler hinter uns lassen werden. Wir werden noch einmal von vorn anfangen. Das hier gehört Euch, und ich würde es Euch gern zurückgeben – wenn ich nur könnte …« Er lächelte entwaffnend; ich biss die Zähne zusammen und fragte mich, was er von mir im Austausch für das Schriftstück verlangen wollte, und wünschte, er würde endlich zur Sache kommen. »… wenn ich nur Euer Wort hätte, dass hier keine geheime Botschaft verborgen ist.«
Meine Überraschung war mir anzusehen. Was für eine Botschaft konnte denn seiner Ansicht nach in einem halbseitigen Liebesbrief verschlüsselt sein?
»Ah«, sagte er und war offensichtlich zufrieden, denn er schob mir das Pergament über den Tisch zu. Ich faltete es zusammen und steckte es in mein Hemd.
Er neigte gnädig den Kopf.
Ich versuchte, es ihm gleichzutun.
So begann meine zweite Gefangenschaft. Diesmal mit gutem Essen, einem weichen Bett, ausreichend warmem Wasser zum Waschen und Gefährten, die ich unendlich stärker verabscheute. Brimedius verschwand bald wieder zu seiner Armee, die in der Nähe des Passes nach Melenze in die Enge trieb, was noch von den Truppen meines Onkels übrig war. Brimedius’ Frau hatte mich in aller Form begrüßt, als ich eingetroffen war, aber ich sah sie nie wieder. Ich hatte nur mit dem Meder, verschiedenen Dienern und einigen Mitgliedern von Brimedius’ Leibwache zu tun.
Mein Kammerherr hatte einen Namen. Um der Lächerlichkeit die Krone aufzusetzen hieß er ausgerechnet Ion.
»Ist das ein Problem, Euer Majestät?«, fragte er.
»Nein, überhaupt nicht«, sagte ich. »Wie lautet Euer Familienname?«
»Ich bin Ion Nomenus, Euer Majestät.«
»Dann werde ich Euch mit dem Vaternamen anreden, wenn es Euch nichts ausmacht«, sagte ich.
»Ganz wie es Euch beliebt, Euer Majestät.« Er war ein Muster an guten Manieren, damals und für den Rest unserer gemeinsamen Zeit. Er brachte mir mein Essen und hätte mir geholfen, mich anzukleiden
Weitere Kostenlose Bücher