Die Legenden von Attolia 4: Die Verschwörer (German Edition)
die Siegel.
»Ihre Majestät, die Königin von Eddis?«, sagte ich steif, und Akretenesh überdachte seine Ausdrucksweise.
»Ihre Majestät, ja«, sagte er respektvoller.
Ich verstand jetzt besser, wie die Königin von Attolia ihren eigenen medischen Gesandten an der Nase hatte herumführen können. Die Meder schienen in sehr konventionellen Bahnen zu denken und so selbstsicher zu sein, dass sie andere Betrachtungsweisen nie auch nur in Erwägung zogen. Ich glaube wirklich, dass Akretenesh keinen Unterschied zwischen einer Frau, die als Königin herrschte, und einer, die Schneiderin war, sah, obwohl er alle Unterschiede der Welt zwischen einem Fürsten und einem Bauern gesehen hätte.
Ich sagte, ja, der Brief sei unerwartet, und nein, ich hätte keine Pläne gemacht, wie ich in dem Fall korrespondieren wollte, dass ich vom Magus und von der Truppe getrennt würde. Nein, ich hielte es nicht für wahrscheinlich, dass eine heimliche Botschaft darin enthalten sei, aber natürlich könnte ich das nicht sicher sagen. Akretenesh legte abermals das Pergament auf den Tisch zwischen uns und strich es mit der Hand glatt, während er nachdachte. Am Ende legte er es mit einem kleinen Seufzen wieder zusammen.
»Es tut mir leid«, sagte er, »es ist zu riskant.«
Ich wandte den Blick ab, während ich mich in der Phantasievorstellung erging, mich über den zerbrechlichen Tisch zu werfen, Akretenesh an der Kehle zu packen und ihn zu erwürgen, umgeben vom Klang zersplitternden Geschirrs.
Nachdem ich tief Atem geholt hatte, sagte ich: »Das verstehe ich.«
»Ich bin erleichtert, dass Eure Majestät verstehen, in was für einer schwierigen Lage ich bin«, erwiderte Akretenesh.
»Ihr könnt Euch meines Mitgefühls sicher sein, Gesandter. Was haltet Ihr von Ihrer Majestät?«, fragte ich.
»Ich bedaure, dass ich nie das Vergnügen hatte, die Königin von Eddis kennen zu lernen.«
»Aber Euer Brudergesandter in Attolia hat sie getroffen, und ich weiß, dass Ihr mit ihm korrespondiert.« Er hatte sehr deutlich gemacht, dass Melheret ihn davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass ich auf dem Weg nach Brimedius war. Akretenesh tat auch so, als hätte er aus derselben Quelle nur das Allerschmeichelhafteste über meine Intelligenz und meine Reife gehört.
»In der Tat«, sagte Akretenesh. »Ich habe viel über Ihre Majestät gehört. Sie ist allen Berichten nach höchst bewundernswert und beweist, dass die Persönlichkeit einer Frau weit wichtiger ist als oberflächliche Schönheit oder die übertriebene Anmaßung von Intelligenz bei ihrem Gegenstück in Attolia.«
Ich starrte ihn einen Moment lang an und dachte daran, dass der Historiker Talis einst gesagt hatte, dass der größte Vorteil, den ein Mann haben könne, der sei, von einem Feind unterschätzt zu werden. Vermutlich trifft das auch auf Frauen zu. Ein Teil von mir konnte die Bemerkung nicht einfach klaglos hinnehmen, während ein anderer Teil wusste, dass ich es tun musste, und ich war wie gelähmt, während sie miteinander rangen, bis sie sich auf eine Wahrheit einigen konnten.
»Die Königin von Eddis ist so schön wie der Tag und so strahlend wie die Sonne am Himmel«, sagte ich.
Er war ein Narr, wenn er mir nicht glaubte, aber das sagte ich ihm natürlich nicht. Er lachte leise und zitierte Praximeles: Schönheit läge im Herzen und nicht im Auge.
»Ihr könntet mir etwas von dem nacherzählen, was sie in ihrem Brief schreibt«, sagte ich.
Akretenesh überlegte es sich, nachdem er nun schon Gelegenheit gehabt hatte, herablassend zu sein. »Das könnte ich. Sie schreibt über die Erfüllung eines Traums: Euch im Großen Tempel von Sounis zu heiraten und in einem Ehebett zu erwachen … das sie in allen Einzelheiten beschreibt.« Er drehte das Blatt um und las noch einmal genau nach. »›Es wird mit dem feinsten eddisischen Leinen bezogen sein und am Fußende mit einer Schnitzerei des Heiligen Bergs verziert.‹« Er blickte von dem Brief auf, um mein Gesicht zu sehen, das immer röter und röter anlief. Sein Tonfall wurde noch süßlicher. »Sie sendet ihre Liebe unter den reifenden Aprikosen des Baums hervor, unter dem sie sitzt, und schreibt, dass nur Eure Anwesenheit fehlt, um den Traum Wirklichkeit werden zu lassen … Ist das ein Liebesbrief«, fragte er, »oder könnte darin irgendeine Nachricht verschlüsselt sein?« Er musterte mich aufmerksam mit zusammengekniffenen Augen.
Ich sagte zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch: »Vielleicht schreiben Frauen
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